Leitlinie OsteoporoseOsteoporose als Rheumafolge von Anfang an mitdenken

Osteoporose zählt zu den häufigsten Begleiterscheinungen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. Die aktualisierte Leitlinie zur Osteoporose gibt Empfehlungen u.a. zu Basisuntersuchungen und Anamnese. 

Illustration: osteoporotischer Oberschenkelknochen
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Osteoporotische Veränderungen zeigen sich typischerweise als Oberschenkelhalsfrakturen oder dem Einbrechen von Wirbelkörpern.

Die Osteoporose zählt zu den häufigsten Begleiterscheinungen entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. Das rheumatische Entzündungsgeschehen selbst als auch der durch die Beschwerden verursachte Bewegungsmangel können Osteoporose fördern. Ein bedeutender Risikofaktor kann zudem die Einnahme von Glukokortikoiden sein.

In der Osteoporose-Leitlinie des Dachverbands Osteologie werden diese Besonderheiten nun deutlich stärker berücksichtigt. Die Leitlinie fasst die aktuelle Evidenz zu Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose zusammen und wurde im Vergleich zur Vorgängerversion völlig neu überarbeitet. Daran mitgearbeitet hat auch die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e. V. (DGRh) und macht am Welt Rheuma Tag am 12. Oktober auf die Neuerungen aufmerksam.

Algorithmus zur Berechnung des Frakturrisikos

Typische Frakturen, die auf osteoporotische Veränderungen der Knochenmasse zurückgehen, sind der Oberschenkelhalsbruch und das Einbrechen von Wirbelkörpern. Beide Ereignisse betreffen besonders Frauen nach der Menopause, und beide sind im Zehnjahreszeitraum zwischen 2009 und 2019 deutlich häufiger geworden. Der Leitlinie zufolge erleiden jedes Jahr knapp 50 von 100.000 Frauen zwischen 50 und 59 Jahren Frakturen des Oberschenkels. Mit jeder Lebensdekade steigt die Inzidenz – bis hin zu rund 4400 von 100.000 bei den Über-90-Jährigen. Dabei ist das Frakturrisiko jedoch individuell äußerst unterschiedlich und nicht nur vom Alter abhängig.

Eine der wichtigsten Neuerungen in der Leitlinie betrifft den Algorithmus, nach dem das individuelle Frakturrisiko berechnet wird, sagt Prof. Peter M. Kern vom Klinikum Fulda.

Der Algorithmus sei auf rund 100 evidenzbasierte Risikofaktoren erweitert worden und berücksichtige nun auch entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis, den Systemischen Lupus Erythematodes und Spondyloarthritiden. Auch sei die Gewichtung der einzelnen Risikofaktoren komplett überarbeitet und neuen Erkenntnissen angepasst worden.

Neue Kriterien für Osteoporose-Basisuntersuchung und Anamnese

Eine Basisuntersuchung auf Osteoporose wird nun explizit auch dann empfohlen, wenn eine Therapie mit Glukokortikoiden in einer Dosierung von 7,5 mg pro Tag oder höher für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten geplant ist.

„Diese Diagnostik sollte nun auch Männern und Frauen vor dem 50. Lebensjahr angeboten werden, wenn sie an den oben genannten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen leiden“, sagt PD Dr. med. Björn Bühring vom Bergischen Rheuma–Zentrum in Wuppertal. Bei rheumatologischen Patient*innen über 70 Jahren sollte zudem jährlich nach Stürzen oder sturzbedingten Frakturen gefragt und ein Test zur Erfassung der Mobilität und des Sturzrisikos gemacht werden.

Medikamentöse Osteoporose-Therapie: angepasste Empfehlungen, neue Wirkstoffe

Angepasst wurden auch die Empfehlungen dazu, ab welchem Frakturrisiko eine medikamentöse Therapie begonnen oder zumindest empfohlen werden sollte. „Unter anderem wurde dabei nun stärker berücksichtigt, dass das Risiko für eine Schenkelhals- oder Wirbelkörperfraktur in den ersten Jahren nach einer bereits stattgehabten Fraktur besonders hoch ist“, erläutert Bühring. Weil auch die Einnahme von Glukokortikoiden stärker gewichtet werde, sei es absehbar, dass gerade Rheuma-Patient*innen nun deutlich öfter als bisher eine medikamentöse Osteoporose-Therapie erhalten oder angeboten bekommen würden.

Auch die Handreichungen dazu, wie diese Therapie gestaltet werden sollte, wurden grundlegend überarbeitet. Bei der Prophylaxe und Therapie der Osteoporose werden zwei unterschiedliche Klassen von Medikamenten eingesetzt:

  • Antiresorptive Wirkstoffe wie Bisphosphonat hemmen den weiteren Knochenabbau,
  • osteoanabole Substanzen fördern den Knochenaufbau und können damit den osteoporotischen Prozess sogar umkehren.

„Hier gibt es neue Wirkstoffe, die nun berücksichtigt wurden, und auch zu den altbekannten Wirkstoffen liegt neue Evidenz vor“, sagt Kern. Auf dieser Basis seien nun differenziertere Therapieregime entwickelt worden, die sich stärker nach den individuellen Patientencharakteristika richteten.

Osteoporose bei jeder Rheumatherapie mitdenken

Die Leitlinie basiert auf einem hohen Evidenzniveau, so Prof. Christof Specker. Die neuen Handlungsempfehlungen ermöglichten es, den Blick wesentlich früher als bisher auf mögliche osteoporotische Veränderungen zu richten.

„Das Ziel muss sein, dass die Osteoporose bei jeder Rheumatherapie von Anfang an mitgedacht wird.“

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie

Literatur

Dachverband Osteologie e.V. et al. S3-Leitlinie Prophylaxe, Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und bei Männern ab dem 50.Lebensjahr. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/183-001