AntibiotikaresistenzenWas können integrativmedizinische Verfahren leisten?

Phytotherapeutika und nicht pharmakologische Verfahren wie Meditation, Bewegung und Akupunktur bieten noch zu wenig genutzte Möglichkeiten, Antibiotikaresistenzen entgegenzuwirken.

Blüte der Kapland-Pelargonie
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Für die Kapland-Pelargonie konnten immunmodulatorische und antientzündliche Effekte nachgewiesen werden.

Die WHO hat antimikrobielle Resistenzen als eine der 10 größten globalen Bedrohungen für die öffentliche Gesundheit eingestuft. Die Gründe für die Zunahme der Antibiotikaresistenzen sind vielfältig: Unkritische Verschreibungspraxis, ein zu früher Therapieabbruch, Unterdosierung, aber auch der Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung gehören dazu. Klar ist, Antibiotikaresistenzen werden immer mehr zum Problem.

Das Kompetenznetz Integrative Medizin Baden-Württemberg hat den European Antibiotic Awareness Day zum Anlass genommen, die Möglichkeiten der integrativen Medizin in den Fokus zu rücken. Phytotherapeutika, aber auch nichtpharmakologische Therapien wie Meditation, Bewegung und Akupunktur sind als Optionen belegt, um unnötige Antibiotikaverordnungen zu vermeiden.

Zu den häufigsten Indikationen für Antibiotikaverordnungen in der Praxis zählen Infekte der oberen Atemwege und Harnwegsinfektionen. Bei unkomplizierten Infekten bilden Phytotherapeutika eine gute Therapie-Option, wie Prof. Jost Langhorst vom Klinikum am Bruderwald der Sozialstiftung Bamberg berichtete.

Warum können Phytotherapeutika geeignet sein?

Langhorst forscht seit Langem u.a. zur Phytotherapie. Eine ganze Reihe antiinfektiv wirksamer Phytotherapeutika können bei unkomplizierten Infektionen helfen, unnötige Antibiotikaverordnungen zu vermeiden. Inzwischen seien einige so gut erforscht, dass sie in die ärztlichen Behandlungsleitlinien aufgenommen wurden.

Pflanzen produzieren sekundäre Pflanzenstoffe u.a. zur Abwehr von mikrobiellen Angriffen. Sie bilden Vielstoffgemische mit einem komplexen Spektrum an Inhaltsstoffen. Dazu gehören auch Inhaltsstoffe mit antiinfektiver Wirkung, z.B.

  • ätherische Öle (z.B. im Eukalyptus oder Thymian)
  • Flavonoide (z.B. in Äpfeln oder grünem Tee)
  • Aliine (z.B. im Knoblauch)
  • Saponine (z.B. in Primelwurzel)
  • Senfölglykoside (z.B. im Meerrettich) 

Beispiel: Akute Bronchitis

Infektionen der oberen Atemwege gehören zu den häufigsten Indikationen für die Verordnung von Antibiotika. Gut etabliert ist der Einsatz von Phytotherapeutika u.a. bei der akuten Bronchitis. In der ärztlichen Leitlinie akuter und chronischer Husten wurden folgende Pflanzen aufgenommen: Kaplandpelargonie, Sonnehut, Efeu, Thymian, Primel sowie Kombinationen aus ätherischen Ölen. Die Wirksamkeit wurde demnach in klinischen Studien und Metaanalysen geprüft.

Die Leitlinienautoren konstatieren u.a.:

"Antibiotika sind bei dem akuten Husten durch Erkältungsinfekt in der Regel nicht indiziert. Mehrere Phytotherapeutika, Dextrometorphan und Ambroxol verfügen über akzeptable randomisierte kontrollierte Studien, die eine Verkürzung der Dauer und/oder die Senkung der Intensität des Hustens bei der akuten Bronchitis belegen." [1].

Langhorst stellte wichtige Phytotherapeutika und wissenschaftliche Erkenntnisse bei Atemwegsinfektionen vor. Dazu gehören:

Pelargonium sidoides: Für Präparate aus der Kaplandpelargonie konnten immunmodulatorische antientzündliche Effekte nachgewiesen werden. In einer Metaanalyse, in der die Teilnehmer*innen an Halsschmerz, Husten und Heiserkeit litten, waren Arzneimittel aus der Kaplandperlargonie Placebo überlegen.

Echinacea: Für Sonnehut-Zubereitungen existiert inzwischen eine COCHRANE-Analyse. Sie zeigt im Ergebnis, dass Echinacea im Prodromalstadium einer Infektion am wirksamsten ist. Die Einnahme sollte jedoch maximal 4-6 Wochen erfolgen.

Senföle: Meerrettich und Kapuzinerkresse gehören zu den Pflanzen, die Senföle enthalten. In der Pflanze selbst bilden sie (Fraß-)Schutz gegen Schädlinge, Bakterien und Viren. In einer In-vitro-Studie konnten antientzündliche Effekte nachgewiesen werden. Eine RCT-Studie bei akuter Bronchitis zeigte eine signifikante Reduktion von Husten, Brustschmerz und Schleimproduktion im Vergleich zu Placebo.

Eine Studie aus dem Jahr 2020 habe zudem gezeigt, dass beim Einsatz pflanzlicher Arzneimittel weniger Antibiotika benötigt werden.

Meditation, Sport, Akupunktur

Prof. Holger Cramer forscht an der Uni Tübingen zu nicht pharmakologischen Verfahren. Dazu gehören u.a. meditative Verfahren, Yoga, Tai-Chi, Akupunktur. Cramer berichtete aktuelle Studienergebnisse, die ergaben: Die Mind-Body-Medizin reduziert Inflammationsprozesse. Zudem habe sich gezeigt, dass das C-reaktive Protein (CRP) als Entzündungsmarker reduziert wird.

Beispielsweise wurde in der MEPARI-2-Studie [2] geprüft, ob Meditation und moderater Sport im Vergleich zu einer Wartelistenkontrollgruppe für akute Atemwegserkrankungen präventiv wirksam sein können. Im Ergebnis zeigte sich sowohl bei der Meditations- als auch der Sportgruppe ein präventiver Effekt in Form von weniger Erkrankungstagen.  

Auch Verfahren wie die Akupunktur können Infekte beeinflussen, zeigt eine ganz aktuelle Metaanalyse bei akuter Pharyngitis [3]. Bei den eingeschlossenen Studien mit insgesamt 1700 Patient*innen beobachteten die Forscher*innen eine Überlegenheit der Akupunktur im Vergleich zur Antibiotikatherapie.

Studien zeigen demnach, dass nicht pharmakologische Therapien wie Meditation und Sport Entzündungen messbar reduzieren können.

Fazit

Für unkomplizierte Infekte bietet die integrative Medizin gute Möglichkeiten, den Krankheitsverlauf ohne Antibiotika zu beeinflussen - präventiv und therapeutisch.

Wissenschaftlich belegte Phytotherapeutika können in verschiedenen Bereichen dazu beitragen, eine antibiotische Übertherapie zu vermeiden. Das betrifft insbesondere akute Atemwegsinfekte und unkomplizierte Harnwegsinfekte. Aber auch in der Wundbehandlung und bei der Bekämpfung multiresistenter Keime liegen ungenutzte Potenziale, berichtete Prof. Jost Lanhorst.

Für nicht pharmakologische Methoden wie Meditation, Bewegung oder Akupunktur belegen Daten vor allem präventives Potenzial sowie eine messbare Reduktion von Inflammationsprozessen. 

Ni

Quelle: Symposium "Beiträge der integrativen Medizin zur Reduktion von Antibiotika-Verordnungen/17.11.2023

Literatur

[1] Leitlinie akuter und chronischer Husten: https://register.awmf.org/assets/guidelines/020-003l_S2k_Diagnostik-Therapie-erwachsene-Patienten-mit-Husten_2019-12.pdf

[2] Barret B et al. Meditation or exercise for preventing acute respiratory infection (MEPARI-2): A randomized controlled trial. PLoS One 2018; doi: 10.1371/journal.pone.0197778

[3] Zhang S et al. Efficacy of acupuncture on acute pharynx infections: A systematic review and meta-analysis. Medicine 2023; doi: 10.1097/MD.0000000000034124