AromatherapieÄtherische Öle in der Dermatologie

Ätherische Öle weisen aufgrund ihres Vielstoffgemischs ein breites Wirkspektrum auf und können bei dermatologischen Pathologien breit eingesetzt werden.

Hand in weißem Handschuh mit Aromaöl Flasche. Im Hintergrund ist ein Oberschenkel mit einem Hämatom zu sehen.
Kirsten Oborny/Thieme

Der Einsatz ätherischer Öle bei dermatologischen Problemen erfordert wegen des spezifischen Wirkspektrums und möglicher Kontraindikationen eine qualifizierende Ausbildung.

von Karoline Fotinos-Graf

Infektionen

Nahe beim Geschehen: topische Anwendung

In der Dermatologie werden ätherische Öle topisch direkt am gewünschten Wirkort angewendet. Diese Applikationsform ist gerade bei infektiösen Hauterkrankungen ein Vorteil, bringen wir so das antiinfektiös wirksame ätherische Öl doch in direkten Kontakt mit den betreffenden Keimen. Da nur in Ausnahmefällen eine pure Anwendung empfohlen wird, werden ätherische Öle in eine geeignete Grundlage eingearbeitet.

Bakterielle Infektionen: Akne, Furunkel und Panaritium

Die äußerst breit antiinfektiös – bakterizid, antiviral, fungizid – wirkenden monoterpenolreichen Öle sind vielseitig einsetzbar und können, mentholreiche Öle ausgenommen, auch in der Pädiatrie angewendet werden ([1] S. 86). Mit ihrer hautfreundlichen und zellregenerierenden Wirkung ([2] S. 50–51) eignen sie sich gut für eine topische Anwendung. Infrage kommen beispielsweise Teebaum*(Melaleuca alternifolia), Lavendel fein (Lavandula angustifolia), Rosengeranie (Pelargonium×asperis), Palmarosa (Cymbopogon martinii), Linaloeholz (Bursera delpechiana) oder auch Thymian Linalool (Thymus vulgaris Ct Linalool) (s. Infobox).

Diese Öle können bei Bedarf durch noch stärker antibakteriell wirksame Öle ergänzt werden, wie z. B. Manuka (Leptospermum scoparium), Niaouli (Melaleuca viridiflora), Oregano (Origanum vulgare) oder Thymian Thymol (Thymus vulgaris Ct Thymol). Letztere beide werden aufgrund ihres hautreizenden Potenzials gut verdünnt und idealerweise in Kombination mit reizlindernden Ölen, wie Lavendel fein, blauer Kamille (Matricaria recutita) oder anderen hautfreundlichen Ölen (s. o.), allenfalls in reizlindernder Grundlage formuliert ([3] S. 147).

Info

Chemischer Polymorphismus

Der Begriff „Chemotyp“ bezieht sich auf botanisch identische Pflanzen, welche durch topographische, klimatische oder jahreszeitliche Faktoren unterschiedliche biochemische Inhaltsstoffe aufweisen. Sie werden mit der Abkürzung „Ct“, gefolgt von der therapeutisch relevanten Leitsubstanz bezeichnet ([7] S. 27). Öle unterschiedlicher Chemotypen werden therapeutisch anders eingesetzt, auch Nebenwirkungen oder Gegenanzeigen sind verschieden. Thymian Linalool (Thymus vulg. Ct Linalool) kann z. B. problemlos in der Pädiatrie verwendet werden, während Thymian Thymol (Thymus vulg. Ct Thymol) kontraindiziert ist ([1] S. 93).

Je nach Ort und Art der Infektion sind Konzentrationen von 3–5%, manchmal bis 10% notwendig. Sinnvoll ist die Ergänzung durch antibakteriell wirkende fette Pflanzenöle wie Calophyllumöl (Calophyllum inophyllum, Wirkstofföl, bis zu 10% beigeben), Neemöl (Azadirachta indica) oder Ölmazerate aus Ringelblumen (Calendulae extractum oleosum) beziehungsweise Johanniskraut (Hyperici oleum PH). Neben antibakteriellen weisen sie auch ausgesprochen entzündungshemmende und wundheilende Wirkungen auf ([4] S. 756, 774–775). Die Pflanzenöle können als Trägeröl genutzt oder in die Grundlage eingearbeitet werden.

Bei Akne können zusätzlich Atlaszeder (Cedrus atlantica) und Zypresse (Cupressus sempervirens) eingesetzt werden – sie wirken antiseborrhoisch und lymphflussanregend ([5] S. 323, 332–333) – sowie bei infizierter Akne Speiklavendel (Lavandula spica). Rosengeranie wirkt sanft (Stress-) hormonmodulierend ([2] S. 206) und eignet sich generell gut für die Pubertät. Als Trägeröl hat sich aufgrund seiner sebumregulierenden Wirkung Jojobaöl (bzw. -wachs) bewährt ([5] S. 354). Eine Formulierung als kühlendes Hydrogel oder leichte Emulsion ist bei dieser Indikation jedoch manchmal angenehmer, insbesondere wenn noch die bei Cutibacterium acnes (vormals Propionibacterium) wirksame Mahonienurtinktur (Mahonia aquifolium, 5–10%) eingearbeitet werden soll ([6] S. 211). Ferner können die entsprechenden ätherischen Öle in Tinkturen, z. B. Calendulatinktur, gegeben und lokal aufgetupft werden.

Bei Furunkel und Panaritium haben sich Teebaum, Manuka, Niaouli, Lemongrass und blaue Kamille zu gleichen Teilen bewährt, bei Bedarf außerdem tiefprozentig Oregano. Die Öle können hier ausnahmsweise kurzzeitig kleinflächig pur angewendet (1 Tropfen mehrmals täglich) oder zu 50% in Johanniskrautöl gemischt und als Kompresse aufgelegt werden.

Zu erwähnen sind ferner Cistrose (Cistus ladanifer), die neben antiinfektiös und entzündungshemmend auch blutstillend wirkt, sowie Immortelle (Helichrysum italicum), welche antikoagulierend wirkt und sich insbesondere bei Hämatomen sowie in der Wundbehandlung bewährt hat ([1] S. 446).

Mykosen: Intertrigo, Fußpilz & Co

Bei Candida-albicans-Infektionen eignen sich besonders Lavendel fein, Palmarosa, Rosengeranie, Koriander (Coriandrum sativum) und Teebaum in Konzentrationen von 3–5%. Teebaumöl ist bei chronischen Infektionen gut wirksam, allerdings muss bei längerer Anwendung eine pflegende Grundlage gewählt werden, da es die Haut austrocknen kann ([2] S. 220). Bei Intertrigo können die Öle präventiv angewendet werden (zu 2–3%), z. B. als Pflegeöl in Johanniskrautöl. Nässende Stellen sollten wie bei Varizellen/Zoster in einer Schüttelmixtur oder Hydrolatmischung als Grundlage (feucht auf feucht!) therapiert werden (s. u.).

Bei Fußpilz kann Thymian Thymol eingesetzt werden, wie oben beschrieben in Kombination mit reizlindernden Ölen. Ferner seien noch die beiden citralreichen Öle Lemongrass (Cymbopogon flexuosus) und Zitroneneukalyptus (Eucalyptus citriodora) erwähnt, welche bei zahlreichen Pilzerregern wirksam sind ([4] S. 183).

Oben genanntes Neem- sowie Calendulaöl können aufgrund ihrer antimykotischen Wirkung ebenfalls in der Formulierung berücksichtigt werden.

Antivirale Wirksamkeit: Varizellen, Herpes Zoster und Herpes labialis

Bei viralen Erkrankungen auch im (Schleim-)Hautbereich eignen sich besonders cineolhaltige Öle, beispielsweise Ravintsara (Cinnamomum camphora Ct Cineol), Cajeput (Melaleuca cajeputi), Niaouli oder diverse Eukalyptusarten ([7] S. 50). Besonders wirksam sind überdies auch Palmarosa, Teebaum sowie Cistrose und Oregano ([1] S. 161).

Bei Varizellen können ausgewählte Öle (z. B. Lavendel fein 1%, Palmarosa und Cistrose zu je 0,75%, Teebaum 0,5%) direkt in eine weiße Schüttelmixtur [8] eingearbeitet und bei Bedarf lokal auf die Bläschen aufgetupft werden. Bei der Herstellung der Schüttelmixtur kann für eine verstärkte entzündungshemmende Wirkung ein Teil des Aqua purificata z. B. durch Hamameliswasser oder Kamillenfluidextrakt ersetzt werden.

Für Herpes Zoster empfiehlt sich eine Mischung aus Ravintsara (1%), Rosengeranie (1%), Cistrose (1%) und Lavendel fein (1,5%) unter Zugabe von Pfefferminze (0,5%) in Johanniskrautöl, welches eine stark antivirale und analgetische Wirkung aufweist. Alternativ können die Öle mittels eines Emulgators (z. B. Solubol®) in eine Hydrolat-Mischung Rose-Melisse 1:1 (frisch! Haltbarkeit 2 Wochen im Kühlschrank) gegeben und mehrmals täglich per Spray appliziert werden.

Bei Lippenherpes kann 1 Tropfen Ravintsara, Rosengeranie oder Teebaum (oder eine Mischung von allen dreien) lokal pur aufgetragen werden.

Entzündliche Dermatosen: Ekzeme, atopische Dermatitis & Co

Bei entzündlichen Dermatosen bieten sich sesquiterpen- sowie sesquiterpenolreiche Öle an. Sie weisen neben einer entzündungshemmenden vielfach auch eine immunmodulatorische und antihistaminische Wirkung auf, sind äußerst gut hautverträglich und -regenerierend ([1] S. 84–87, [2] S. 49–50). Darüber hinaus haben sie eine beruhigende und angstlösende Wirkung und bewähren sich daher auch bei stressassoziierten Hautbeschwerden. Eingesetzt werden z. B. die blaue Kamille, Ingwer (Zingiber officinalis), Manuka oder auch Atlaszeder, Sandelholz (Santalum album) und Karottensamen (Daucus carota). Insbesondere die stark entzündungshemmende Wirkung (über COX, LOX) von Chamazulen und α-Bisabolol der blauen Kamille ist experimentell wie klinisch gut belegt ([6] S. 175).

Ergänzend können monoterpenolreiche Öle eingesetzt werden, beispielsweise Lavendelöl mit seinen epithelisierenden, entzündungshemmenden, antipruriginösen und analgetischen Wirkungen. Als Erstversorgung von kleineren Verbrennungen wird es ausnahmsweise tropfenweise pur auf der Haut angewendet ([5] S. 204 ff.), bei Sonnenbrand in 3–5%iger Verdünnung in Johanniskrautöl als Kompresse über Nacht. Klinisch bewährt hat sich auch Koriander 1%ig bei der Behandlung von atopischer Dermatitis und Ekzemen: Wie die blaue Kamille weist es neben einer entzündungshemmenden und antipruriginösen auch eine gute Wirksamkeit unter anderem gegen Staphylococcus aureus (auch MRSA) und Streptokokken auf und kann somit zur Verhinderung einer allfälligen Superinfektion zugegeben werden ([6] S. 175, [9]). Antipruriginös wirken auch Atlaszeder, Zypresse und Manuka ([10] S. 153).

Als Trägeröle oder Zusatz in einer Zubereitung eignen sich das bei atopischer Dermatitis bewährte Nachtkerzenöl (Oenotherae oleum, zu 10%) ebenso wie das stark entzündungshemmende, hautregenerierende und analgetische Sanddornfruchtfleischöl (Hippophae oleum, zu 3–5%, Achtung färbend!). Des Weiteren können bei Entzündungen auch Ringelblumen- oder Johanniskrautöl sowie geeignete (Ur-)Tinkturen die Formulierung ergänzen, beispielsweise die juckreizstillende und entzündungshemmende Ballonrebe (Cardiospermum halicacabum, 5–10%), oder bei Psoriasis die Mahonie (Mahonia aquifolium, 5–10%), z. B. kombiniert mit Cistrose und Karottensamen ([10] S. 155).

Die richtige Galenik ist entscheidend

Gerade in der Dermatologie muss ein besonderes Augenmerk auf die Galenik gerichtet werden: Die Galenik der Grundlage ist entscheidend für den Therapieerfolg. Sogenannte Vehikeleffekte können den Hautzustand sowie den Grad der Resorption des Wirkstoffes in die Haut bzw. das darunterliegende Gewebe beeinflussen. Gleichzeitig können auch eventuelle Nebenwirkungen (Reizung, Austrocknung etc.) verringert bzw. verhindert werden. Der jeweilige Hautzustand ist ebenfalls zu berücksichtigen: Nach dem Prinzip feucht auf feucht – fett auf trocken werden akute, entzündliche Zustände mit wasserreichen Systemen therapiert, chronische und trockene Hautzustände benötigen hingegen Vehikel mit hohem Fettgehalt für den Therapieerfolg ([11] S. 72, [12]).

Ätherische Öle werden in der Regel verdünnt angewendet. Je nach Zusammensetzung des Pflanzenöls oder der Grundlage wird das ätherische Öl in unterschiedliche Haut- oder Gewebeschichten transportiert [Tab. 1], was bei der Formulierung zu berücksichtigen ist.

Beispiel Trägeröl

Wirkort ätherische Öle

Beispiel Pathologie

Nachtkerzenöl

Hornhaut

Pilzinfektionen

Wildrosenöl

Epidermis

Psoriasis

Mandelöl

Jojobaöl

Ekzeme

Sesamöl

Dermis, Hypodermis,

Urtikaria

Haselnussöl

Muskulatur, Gelenk

Juckreiz

Aprikosenkernöl

Sehnenentzündung, Gelenkbeschwerden

 

Sonnenblumenöl

systemisch

Infekte

Traubenkernöl unverdünntes ätherisches Öl

 

organische Beschwerden

Wasserreiche Zubereitungen wie Hydrogele oder O/W-Emulsionen können durch Wasser als natürlichem Penetrationsförderer sowohl hydrophile als auch lipophile Wirkstoffe durch die Haut permeieren lassen [13]. Als Faustregel gilt: Je weniger Affinität eine Substanz zur Grundlage hat, desto besser wird sie freigesetzt ([3] S. 133, [13]). Das lipophile ätherische Öl wird daher von einem Hydrogel (Emulgator erforderlich!) eher in der Tiefe freigesetzt und kann leicht das darunter liegende Gewebe erreichen; insbesondere Carbomergele weisen eine ausgeprägte Tiefenwirkung auf ([11] S. 47).

Eine schlecht gewählte Galenik kann also einerseits den Hautzustand verschlechtern und andererseits besonders bei Babys und Kleinkindern potenziell eine transkutane Resorption und damit (unwillkommene) systemische Wirkungen ermöglichen, zumal ihre Haut dünn und deren Funktion als Hautbarriere noch nicht vollständig entwickelt ist [14].

Vorsichtsmaßnahmen bei topischen Zubereitungen

Vorsicht ist bei photosensibilisierenden Ölen geboten, insbesondere bei den furocumarinhaltigen Zitrusfruchtschalenölen, ebenso bei Angelikaöl ([5] S. 64). Auch manche aldehydreichen Öle wie z. B. Lemongrass und die oben schon erwähnten phenolreichen Öle können mitunter starke Hautreizungen verursachen ([3] S. 170–171) und müssen bei einer dermalen Applikation vorsichtig dosiert bzw. gut verdünnt werden. Idealerweise wird die Zubereitung vorgängig per Armbeugetest getestet (wenig in die Armbeuge geben und nach 30–60 Minuten bzw. 12 Stunden für Allergiker auswerten).

Karoline Fotinos-Graf
Apothekerin mit Fachausweis FPH Phytotherapie und diplomierte Aromatherapeutin

Interessenkonflikt: Die Autorin hat Referentenhonorare von Phytomed AG und ebi-pharm AG, Schweiz, erhalten.

* Namen im Fettdruck zeigen die erstmalige Nennung des Namens des ätherischen Öls an und entsprechen daher nicht in jedem Fall dem deutschen Pflanzennamen.

[1] Zimmermann E. Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe. 7. Aufl. Stuttgart: Haug; 2022

[2] Werner M, von Braunschweig R. Praxis Aromatherapie. 5. Aufl. Stuttgart: Haug; 2016

[3] Kaloustian J, Hadji-Minaglou F. La connaissance des huiles essentielles: qualitologie et aromathérapie. Paris: Springer; 2012: 132-134

[4] Steflitsch W, Wolz D, Buchbauer G. Aromatherapie in Wissenschaft und Praxis. Wiggensbach: Stadelmann; 2013

[5] Wabner D, Beier C. Aromatherapie. München: Elsevier; 2009

[6] Schilcher H, Kammerer S, Wegener T, Hrsg Leitfaden. Phytotherapie. 5. Aufl. München: Elsevier; 2016

[7] Baudoux D. Les cahiers pratiques d’aromathérapie selon l’école française: Pédiatrie. Luxembourg: Edition Inspir S.A.; 2001

[8] Vögtli A. Weisse Schüttelmixtur. 12. Juli 2020. Im Internet: https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=weisse%20Sch%C3%BCttelmixtur; Zugriff: 28.02.2023

[9] Schempp CM. Koriander (Coriandrum sativum L.). Z Phytother 2012; 33: 43-46 DOI: 10.1055/s-0031-1286039.

[10] Werner M. Mind-Maps Aromatherapie. 2. Aufl. Stuttgart: Haug; 2013

[11] Wolf G. Rezepturen: Probleme erkennen, lösen, vermeiden. Stuttgart: Deutscher Apotheker Verlag; 2013

[12] Winterhagen I. Stabile Schutzschicht: Basistherapie bei Neurodermitis. Dtsch Apotheker Ztg 2019; 159 (44): 48

[13] Weitschies W, Schiller C, Adam U. Einfluss der Galenik auf die Therapie von Hauterkrankungen. Pharmazeutische Zeitung 2003; Nr. 22. Im Internet: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=titel_22_2003; Zugriff: 26.02.2023

[14] Patscheider R, Stauber G. Die Säuglings- und Kinderhaut benötigt spezielle Pflege. Ars medici 2012; Nr. 15: 790–792. Im Internet: https://www.rosenfluh.ch/media/arsmedici/2012/15/Die_Saeuglings_und_Kinderhaut_benoetigt_spezielle_Pfleg