NervensystemAromatherapie bei Nervenstörungen

Ätherische Öle können durch verschiedene Inhaltsstoffe und entsprechende Wirkmechanismen bei Nervenstörungen Beschwerden lindern.

Grafik von Gehirn auf weißem Hintergrund.
adimas/stock.adobe.com

Aromatherapie bei Aufruhr im Nervenkostüm.

von Eliane Zimmermann

Kurz gefasst

  1. Die Naturheilkunde kann bei verschiedenen Nervenstörungen hilfreich sein. Dabei kann die Aromatherapie eine Ergänzung durch die topische Behandlung bieten.

  2. Ätherische Öle können durch verschiedene Inhaltsstoffe und entsprechende Wirkmechanismen bei Nervenstörungen Beschwerden lindern, zum Beispiel durch das schmerzlindernde Methylsalicylat, aus welchem Wintergrünöl hauptsächlich besteht.

  3. Beispielsweise bei neuropathischen Schmerzen, dem Hand-Fuß-Syndrom, Restless-Legs-Syndrom und bei Migräne gibt es hilfreiche unterstützende Konzepte der Aromatherapie, die teilweise auch durch Studien untermauert werden. 

Wenn die Nervenbahnen sich anfühlen, als ob Millionen Ameisen darauf Skateboard fahren, kann der Alltag der Betroffenen zum Albtraum werden. Auch an Schlaf ist oftmals nicht zu denken, geschweige denn an heilende Ruhe und Regeneration. Darum sollte so schnell wie möglich effiziente Hilfe angeboten werden. Hierbei kann die Aromatherapie unterstützend hilfreich sein.

Wenn Nerven blitzen

Unsere Nervenzellen sind mit Lipiden umhüllt, welche die sogenannte Myelinscheide bilden. Für das reibungslose Senden und Empfangen von Signalen ist diese isolierende Schicht für die meisten Nervenzellen essenziell. So können Nervenzellen mit Störungen reagieren, wenn die Myelinscheide durch eine Lebensweise mit viel Stress, Alkohol, Zucker oder Medikamenten (zum Beispiel Statine [13]) nicht gut versorgt wird. Wie im Inneren der brüchigen Kunststoffhülle einer alten Stromleitung kommt es zu „Blitzen“, „Flimmern“, „Kurzschlüssen“: Die Weiterleitung von gleichmäßigen Informationen wird mit zunehmenden Schäden immer mehr beeinträchtigt. Missempfindungen und Schmerzen können die Folge sein. Dadurch können sich Krankheitsbilder wie eine Neuropathie (siehe Abschnitt „Aromatherapie bei neuropathischen Schmerzen“) entwickeln. In der Naturheilkunde wird beispielsweise eine dreimonatige Kur mit hochwertigen Omega-3-Fettsäuren unterstützend eingesetzt, um die Regeneration der Myelinscheide zu fördern (idealerweise nach entsprechendem Test zur Ermittlung der Fettsäurewerte; hierbei können Fettsäureanteile sowie das Verhältnis von Omega-3- und 6-Fettsäuren ermittelt werden).

Die topische Anwendung einiger ätherischer Öle kann die Therapie bei verschiedenen Nervenstörungen ergänzen. Insbesondere Duftmoleküle, die modulierend auf das Schmerzempfinden wirken, können enorm zur Verbesserung des Schmerzerlebens führen. Einige mögliche Einsatzgebiete sind in diesem Beitrag aufgegriffen. Doch zunächst zur Frage, was ätherische Öle in diesem Zusammenhang ausmacht.

Was macht ätherische Öle aus?

Ätherische Öle sind stark konzentrierte, durch Destillation gewonnene Extrakte aus diversen Duftpflanzen. Sie enthalten unterschiedliche pharmakologisch aktive Moleküle, welche teilweise eine erstaunlich besänftigende Wirkung auf das „Gewitter“ in den Nervenzellen ausüben können.

Isoprenmolekül als wichtiges Grundmolekül

Zahlreiche Naturdüfte bestehen vorwiegend aus Stoffen, die auf dem Isoprenmolekül aufbauen, zum Beispiel alpha- und beta-Pinen, Myrcen und p-Cymen. Dazu gehören unter anderem Nadelöle (wie die Öle der Tanne, Fichte und Kiefer), manche Eukalyptusöle, Pfeffer-, Wacholder- sowie Weihrauchöl. Dieses für den Menschen so wichtige Grundmolekül kann sich durch Vervielfältigung bis hin zu hormonähnlichen Substanzen sowie Carotinen wandeln. Für die Entschlüsselung gab es 1910 den Nobelpreis für den Chemiker Otto Wallach (1847–1931).

Für die meisten ätherischen Öle ist ein hoher Anteil an Mo-noterpenen typisch. Das sind einfache Kohlenwasserstoffe, welche aus Ketten aus 10 Kohlenstoffatomen bestehen (C10H16). Sie setzen sich aus 2 Isoprenmolekülen zusammen.

Mit Monoterpenen Counterirritant-Effekt auslösen

Monoterpene können durch den sogenannten Counterirritant-Effekt eine verblüffend beruhigende Wirkung auf das Schmerzgeschehen ausüben. Der Counterirritant-Effekt wird durch eine minimale lokale Reizung erklärt, auf die eine Entleerung des Neuropeptids Substanz P aus den Schmerzrezeptoren ins Gewebe folgt. Dadurch wird die Schmerzwahrnehmung (Nozizeption) deutlich herabgesetzt.

Schmerzlinderung mit Methylsalicylat

Über die Monoterpene hinaus gibt es in der Aromatherapie etliche „Spezialisten-Öle“ zur Schmerzlinderung, welche Menthol (zum Beispiel Pfefferminzöl), Eugenol (zum Beispiel Gewürznelkenöl) sowie das hocheffektive Methylsalicylat (zum Beispiel Wintergrünöl) enthalten. Methylsalicylat ist ein pharmakologisch sehr aktives, schmerzlinderndes Molekül in ätherischen Ölen. Es handelt sich um eine gebundene Form der Salicylsäure, die durch Enzyme auf der Haut umgewandelt und freigesetzt wird. Den höchsten Methylsalicylatanteil unter den ätherischen Ölen hat das Wintergrünöl. So wird Wintergrünöl auch als Synonym zu Methylsalicylat verwendet. Es wird aus den Blättern und/oder Früchten dreier der ca. 134 Arten der Scheinbeeren (Gaultheria) aus der Familie der Heidekrautgewächse destilliert. Es besteht fast nur – zu ca. 95 % – aus Methylsalicylat, darum muss es sehr sorgfältig und nur von gut geschulten Personen angewendet werden. Im Zuge der derzeitigen Verbreitung der Aromatherapie, die auch vermehrt durch Laien erfolgt, ist Vorsicht geboten – oft wird das Öl sehr leichtsinnig und überdosiert empfohlen.

Merke: Überdosierungen mit Wintergrünöl können zu Vergiftungserscheinungen bis hin zum Tod führen.

In einer Übersichtsarbeit wurden umfassende Informationen über die Phytochemie, die flüchtigen Bestandteile und die Pharmakologie der Gattung Gaultheria herausgearbeitet, um ihr Potenzial zu erkunden und die Forschung voranzutreiben. Die Gattung wird in ethnischen Arzneimitteln vorwiegend zur Heilung von Rheuma und zur Schmerzlinderung verwendet. Phytochemische Untersuchungen zeigten das Vorhandensein von zum Beispiel Methylsalicylat-Derivaten, organischen Säuren, Terpenoiden und Steroiden. Das Methylsalicylat-Glykosid wird als charakteristischer Inhaltsstoff in der Gattung Gaultheria angesehen. Seine antirheumatischen Effekte könnten möglicherweise einen bislang unbekannten Wirkmechanismus haben [6].

Rezept Neuro-Peace

Zutaten:

  • 20 ml Johanniskrautöl
  • 6 Tr. Lavendel
  • 3 Tr. Ylang Ylang
  • evtl. 5 Tr. Bio-Vanille-Extrakt (Der Vanilleduft macht die Mischung etwas „wärmer“ und lieblicher, wirkt entspannend und vermittelt vielen Menschen ein Gefühl des Trostes und der Geborgenheit. Dies kann bei der Linderung von Schmerzen eine wichtige seelische Komponente darstellen.)

Die Zutaten in einer Braunglasflasche gut vermischen und bei Bedarf bis zu 8 × tgl. sanft auftragen.

Das Öl der Betula lenta, der Zuckerbirke, enthält auch zum Großteil Methylsalicylat, ferner sind bis zu 10 % davon in Ylang-Ylang-Öl enthalten sowie ca. 8 % im Tuberose Absolue.

Aromatherapie bei neuropathischen Schmerzen

Neuropathische Schmerzen sind häufige Begleiter von Patienten mit Diabetes mellitus, zudem sind sie eine fast unvermeidliche Begleiterscheinung bei der Therapie vieler Krebsarten. Kaum etwas scheint zu helfen. Hochwertiges Johanniskrautöl, also der ölige Auszug der gelben Blüten des Hypericum perforatum (in Olivenöl), kann oft etwas lindern. Dieses Öl sollte deshalb die Basis von Einreibungen bei allen Arten von als stechend und blitzend beschrieben Schmerzen sein. Von Trigeminusneuralgien bis zum leidigen Hexenschuss wird es großzügig aufgetragen. Ölige Auflagen, also ölgetränkte Läppchen, werden als beruhigend für diese „Gewitter im Gewebe“ beschrieben. Lavendelöl kann die Wirkung verstärken, wie eine iranische randomisierte 3-Gruppen-Kon-trollstudie mit Prä-Post-Design an 75 diabetischen Neuropathiepatienten zeigen konnte. Die Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip in eine Aromatherapie- (n=26), eine Placebo- (n=26) und eine Kontrollgruppe (n = 26) eingeteilt. Die Patienten der Interventionsgruppe erhielten einen Monat lang jeden Abend vor dem Schlafengehen jeweils eine sanfte Fußeinreibung mit 2,5 ml eines 3%ig verdünnten Lavendelöls. So eine recht preiswerte 10-minütige Anwendung kann für jeden Patienten mit Neuropathien empfohlen werden. Diese Studie aus dem Jahr 2021 ergab in der Aromatherapiegruppe im Vergleich zu den Placebo- und Kontrollgruppen signifikante Verbesserungen (p < 0,001). Darüber hinaus wurde nach 4 Wochen ein signifikanter Anstieg der Lebensqualität in der Aromatherapiegruppe festgestellt (p < 0,001) [8].

Auch das blumig duftende und entspannend wirksame Ylang-Ylang-Öl kann neuropathische Schmerzen lindern. Wie bereits erwähnt: Es können ca. 10 % des stark schmerzlindernden Methylsa-licylats enthalten sein. Empfehlenswert sind sanfte Streichungen mit einer 1 %igen Verdünnung auf die betreffenden Körperareale.

Hilfe bei Hand-Fuß-Syndrom

Lange Zeit gab es kaum Hilfe beim Hand-Fuß-Syndrom. Dieses Syndrom beschreibt jene Nervenschmerzen, die eine fast unvermeidliche Folge einiger Chemotherapien sind (beispielsweise mit Capecitabin, 5-Fluorouracil und Doxorubicin). Dabei kribbeln die Handinnenflächen und Fußsohlen, fühlen sich taub an und schwellen an. Starke, schmerzhafte Rötungen mit Schuppen können sich bilden, dazu Blasen und auch offene Wunden. Dinge anfassen und gehen wird zunehmend schmerzhafter bis unmöglich. Die Entstehungsmechanismen waren lange Zeit nicht geklärt. Inzwischen ist bekannt, dass Bestandteile des Chemotherapeuti-kums mit dem Schweiß an der Hautoberfläche austreten. Durch Kontakt mit Sauerstoff entstehen freie Radikale, welche die Zellen stark schädigen können. Handinnenflächen und Fußsohlen sind mit einer mehr oder weniger dicken Hornhaut ausgestattet. Die Substanz dringt in diese Hornschicht ein und hält sich dort. Darum muss in der Zeit, in der diese Medikamente genommen werden, auf mechanische Reizungen durch raue Kleidung und mechanische Arbeiten sowie heiße Bäder und reizende Kosmetik möglichst verzichtet werden. Rückfettende und antioxidative Maßnahmen können vorbeugen und lindern. Eine präventive Förderung der Durchblutung mithilfe eines pflegenden Peelings kann erfahrungsgemäß das Auftreten dieser stark das tägliche Leben einschränkenden Schmerzen zumindest deutlich verlangsamen (siehe Kasten „Zucker-Öl-Peeling“). Wenn die Beschwerden bereits fortgeschritten sind, kann diese Anwendung Schmerzen verursachen. Sie muss deshalb sehr vorsichtig mit den Betreffenden versucht werden. Bei offenen Stellen ist sie nicht anzuwenden.

Rezept Zucker-Öl-Peeling

Zutaten

  • 100 g Zucker
  • 100 ml Olivenöl
  • 4 Tr. Zitrone
  • 4 Tr. Rosmarin Ct. Cineol

Alle Zutaten in einem sauberen Schraubglas gut miteinander vermischen. Jeweils 1 TL der Mischung für ein Hand- oder Fußpeeling verwenden, ca. 2 min einmassieren und dann sorgfältig abwaschen. Die beiden ätherischen Öle wirken dabei sanft durchblutungsfördernd, Rosmarin etwas mehr als Zitrone. Das Peeling kann auch ohne diese erfolgen.

Unruhige Beine beruhigen

Wenn zu diffusen kribbelnden Schmerzen Störungen im Dopa-minhaushalt hinzukommen, kann sich eine regelrechte Zitterpartie, insbesondere in den Beinen, entfachen. Das Restless-Legs-Syn-drom (RLS), das inzwischen als eine Form der Schlafstörungen gilt, kann auftreten. Dabei sind bestimmte Nervenzellen geschädigt, und die Menge des Botenstoffs verringert sich, sodass Muskelspasmen und unwillkürliche, zuckende Bewegungen die Folge sind. Gegen Ende des Tages steht uns ohnehin weniger Dopamin zur Verfügung, sodass das Zittern und Zappeln der Beine insbesondere nachts zum Albtraum werden kann.

Beim Versuch der Ruhe tritt das Phänomen erst recht auf. Insbesondere Menschen der älteren Semester sind betroffen, aber auch jüngere Personen können von den unruhigen Beinen überfallen werden. Der Schlaf wird immer unerquicklicher. Aus Angst, nicht schlafen zu können, kann man schlechter entspannen, ein Teufelskreis beginnt. Darum zählt diese neurologische Erkrankung zu den schlafbezogenen Bewegungsstörungen.

Statistiken besagen, dass jede zwanzigste Person unter RLS leidet. Das Problem gilt als nicht heilbar. Die Lebensqualität der Betroffenen kann schwer beeinträchtigt sein. Medizinisch gesehen gilt RLS jedoch als eher harmlos.

Dopamin im Fokus

Ein Abbauprodukt von Dopamin heißt Homovanillinsäure. Damit sind wir beim ersten Naturduft, der Vanille. Erfahrungsgemäß kann Vanille dazu beitragen, den Dopaminhaushalt wieder in Balance zu bringen. Vanille gibt es korrekterweise benannt nur als alkoholischen Extrakt, denn die braunen Schoten werden nicht destilliert. Es gibt also kein ätherisches Vanilleöl. Abendlich anzuwendende Ölmischungen können immer mit etwas Vanille ergänzt werden. Einige weitere Moleküle aus Naturdüften, welche von Pflanzen und Insekten als Signal- und Botenstoffe eingesetzt werden, können bei RLS-Patienten leichte bis enorme Linderung bewirken. Eugenol ist ein gemeinsamer Nenner einiger dieser erfahrungsgemäß hilfreichen Naturdüfte.

Zu den ätherischen Ölen, die mutmaßlich den Dopaminhaus-halt regulieren helfen, gehören:

  • Zimtblätter (Cinnamomum zeylanicum)
  • Gewürznelkenknospe (Syzygium aromaticum)
  • Tulsi (Ocimum sanctum)
  • Piment (Pimenta dioica)
  • Bay (Pimenta racemosa)
  • Muskatellersalbei (Salvia sclarea)
  • Ingwer (Zingiber officinale)
  • Vitex agnus castus (Mönchspfeffer, Keuschlamm)

Dabei enthalten die ersten 5 Öle Eugenol. Es gibt einige In-vitro-Studien zur dopaminmodulierenden Wirkung der in dieser Aufzählung genannten, eher sehr intensiv duftenden ätherischen Öle.

Rezept Nerven-Bein-Balsam

Zutaten:

  • 10 ml Johanniskrautöl
  • 10 g natives Kokosfett
  • 6 Tr. Lavendel
  • 3 Tr. Rosengeranie
  • 2 Tr. Echter Majoran

Die beiden ersten Zutaten in einem gläsernen Kosmetiktiegel sanft schmelzen (warmes, nicht heißes Wasserbad oder Heizung), gut vermischen, etwas abkühlen lassen. Die ätherischen Öle sorgfältig einrühren und die Mischung fest werden lassen. 30 min vor dem Schlafengehen sanft auf die Unterbeine und Füße auftragen.

Der feine Tausendsassa Lavendelöl mit seinem hohen Gehalt am entspannend wirksamen Molekül namens Linalylacetat sollte auch erwähnt werden. In einer iranischen Arbeit wurden 70 Patienten zwischen 18 und 65 Jahren, die aufgrund von Nierenversagen dialysepflichtig waren (mindestens seit einem halben Jahr und mindestens 2 × wöchentlich) und gleichzeitig an RLS litten, in 2 Gruppen geteilt. Die Hälfte der Personen erhielt sanfte Laven-delölmassagen, die andere Hälfte wurde wie üblich gepflegt. Bei der Lavendelgruppe wurden über 3 Wochen 2 × wöchentlich 10 min lang beide Beine von der Fußsohle bis zum Knie mit sanften Streichungen behandelt (immer eine Stunde nachdem mit der Dialyse begonnen wurde). Das Lavendelöl wurde 1,5 %ig in Trägeröl verdünnt. Zum Start des Experiments war der Beschwerdeindex bezüglich RLS nicht sehr unterschiedlich (p=0,76). Am Ende der Studie nahmen die RLS-Symptome in der Lavendelgruppe im Vergleich zur nicht behandelten Gruppe signifikant ab (p < 0.0001). Die Autoren folgern: Lavendelölmassagen sind sinnvoll, um RLS-Symptome von Hämodialysepatienten zu verbessern. Es sind keine unerwünschten Nebeneffekte bekannt, die Behandlung ist gut und einfach durchzuführen und sie ist kostengünstig [4].

Was diesen schwer erkrankten Menschen hilft, kann auch bei anderen Personen hilfreich sein. Wer den Lavendelduft nicht so schätzt, wird sich vermutlich am ähnlich zusammengesetzten Bergamottenöl und am vergleichbaren Öl der Bergamottminze erfreuen. Beide duften frischer und wirken dennoch stark entspannend.

Muskatellersalbei, Rosengeranie und Lemongrass sind auch einen Versuch wert. Wenn eine Neigung zur Verkrampfung der Beine oder Wadenkrämpfe auftreten, kann ein Tropfen des echten Majoranöls (Origanum majorana) unverdünnt oder wenig verdünnt in Johanniskrautmazerat oder Olivenöl wertvolle Erste Hilfe leisten. Es wird von empfindlichen Menschen und schwangeren Frauen gut vertragen, sollte jedoch nicht mit Spanischem Majoran (Thymus mastichina) verwechselt werden, der ein besonderer Thymian ist, welcher Eucalyptol enthält. Eucalyptol wird in der Schwangerschaft von einigen Autoren mit Vorsicht betrachtet; eine Anwendung sollte in jedem Fall nur in Rücksprache mit einer Fachperson erfolgen.

Rezept Hilfe bei Migräne

Zutaten:

  • 4 Tr. Bergamottminze (oder Lavendel fein)
  • 2 Tr. Muskatellersalbei
  • 1 Tr. Basilikum
  • wenn gewünscht: 2 Tr. Zitrusöl
  • Riechstift

Die Öle auf die beiden Enden des Zellstoffröllchens eines Riechstiftes träufeln, in den Riechstift geben, diesen verschließen. 2 Tr. eines Lieb-lingszitrusöls können den Duft etwas frischer machen, sie ergänzen zusätzlich die entkrampfende Wirkung. 3–4 × tgl. einige tiefe Atemzüge dieser entkrampfend wirkenden Moleküle einatmen.

Migräne – das Gewitter im Kopf

Akute Migräneattacken lassen sich längst nicht so gut wie Spannungskopfschmerzen mit ätherischen Ölen behandeln. Da jedoch neben unter anderem Entzündungsreaktionen im Gehirn auch der Botenstoff Serotonin eine Rolle spielt, sind Anwendungen mit ätherischen Ölen zwischen den Attacken prädestiniert. Denn einige der winzigen und fettlöslichen Duftmoleküle wirken modulierend auf diesen Botenstoff.

Sowohl die praktische Erfahrung als auch die folgenden 2 Studien zeigen, dass es sinnvoll erscheint, dass Migränepatienten Lavendelöl regelmäßig inhalieren und damit womöglich die Menge an Medikamenten reduzieren können. Es können auch andere ähnlich zusammengesetzte ätherische Öle wie Bergamottminze oder Muskatellersalbei verwendet werden. Auch das stark entkrampfend wirksame Basilikumöl könnte einem praktisch anzuwendenden Inhalierstift hinzugefügt werden. Diese und viele andere ätherische Öle unterstützen den Parasympathikus, sodass die betreffenden Menschen lernen, ihre Stressmuster samt der folgenden Anspannung etwas loszulassen.

Die Compliance der Patienten ist im Fall von Migräne wichtig, denn diese kurze Inhalation sollte mindestens 3 Wochen mehrmals täglich durchgeführt werden. Die Geduld lohnt sich, denn die Attacken könnten bei vielen Menschen deutlich reduziert werden, so auch die Schwere der Schmerzen. Das zeigte eine iranische placebokontrollierte Untersuchung mit 47 Patienten. Es wurden entweder jeweils 15 min Lavendelöl inhaliert oder an Paraffin gerochen (Kontrolle). Von insgesamt 129 Migräneattacken wurde bei 92 Attacken positiv mit Schmerzlinderung auf das ätherische Öl reagiert, bei der Kontrollgruppe konnten 68 Attacken gelindert werden [9].

In einer neueren randomisierten, 3-fach verblindeten Studie (das heißt, Teilnehmer, durchführende und auswertende Personen kennen die Zuteilung nicht) wurden 144 Migränepatienten (4 Gruppen à 36 Personen) in 3 Verumgruppen (Basilikumöl 2, 4, 6 %) und eine Placebogruppe eingeteilt. Die Forscher wollten die Wirkung einer topischen Anwendung von ätherischem Basilikumöl auf Stirn und Schläfen in verschiedenen Konzentrationen untersuchen. Diese Anwendung wurde alle 8 Stunden, 3 Monate lang durchgeführt. 325 mg Acetaminophen (Paracetamol) war alle 12 Stunden erlaubt. Die Frequenz der Migräneattacken konnte reduziert werden. Wenn diese dennoch auftraten, war die durchschnittliche Stärke des Schmerzes reduziert [1].

Um den entzündlichen Part dieser Erkrankung etwas einzudämmen, ist zudem die kurmäßige Einnahme von hochwertigen Omega-3-Fettsäuren sinnvoll, zum Beispiel in Form von Fischoder Algenöl. Im Alltag ist auch der Einsatz von Omega-3-reichen Pflanzenölen wie Lein-, Hanf- oder Walnussöl hilfreich.

Fazit

Mit ätherischen Ölen samt ihren Destillationswässern, den Hy-drolaten, können zwar kleine Wunder im Bereich der Infektionsbekämpfung und bei verschiedenen Schmerzarten ausgelöst werden – bei Nervenschmerzen sind uns die Hände jedoch vergleichsweise ein wenig gebunden. Die Erfahrung aus inzwischen gut 30 Jahren klinischer Aromatherapie zeigt aber bemerkenswerte Erfolge auch auf dem Gebiet der Nervenschmerzen. Besonders hervorzuheben ist die generell angstmindernde und entspannende Wirkung vieler Duftmoleküle, sodass die Angst vor den „Gewittern“ im Gewebe reduziert werden kann. Die Erkrankung kann so teilweise etwas weniger negativ erlebt werden. Die Verbesserung des Wohlbefindens der Patienten und die entsprechende angenehmere Verrichtung der Dinge des täglichen Lebens ist durchaus auch ein erstrebenswertes Ziel. Zusätzlich zu Wirkungen auf die Psyche können ätherische Öle auch körperlich wirksam sein wie Wintergrünöl zur Schmerzlinderung. So kann die Aromatherapie die psychosomatische Einheit ansprechen.

Eliane Zimmermann
Dozentin für Pflege- und Heilberufe

aromapraxis.de

Interessenkonflikt: Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Die Literatur ist auf Anfrage bei der Redaktion erhältlich.

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