Cannabis sativa L.Cannabis – was wirkt wie?

Cannabis ist wegen der Cannabis-Legalisierung seit Wochen in den Schlagzeilen. Doch was wirkt wie? Ein kurzer pharmakologischer Überblick zu Phytocannabinoiden.

Cannabis in der Nahaufnahme.
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Cannabis, genauer die oberirdischen Pflanzenteile, v. a. Triebspitzen und Blüten der weiblichen Pflanze von Cannabis sativa L., enthalten mehr als 500 Verbindungen, von denen mindestens 100 als Cannabinoide bzw. Phytocannabinoide bekannt sind. Weitere Sekundärstoffe sind Flavonoide und Terpene.

Phytocannabinoide waren der Ausgangspunkt für die Identifizierung der Cannabinoid-Rezeptoren, wobei CB1-Rezeptoren hauptsächlich im Zentralnervensystem (ZNS) exprimiert werden und CB2-Rezeptoren peripher, u. a. auf Immunzellen, zu finden sind.

Die endogenen Liganden für diese Rezeptoren, Anandamid (AEA) und 2-Arachidonylglycerin (2-AG) sowie die Enzyme, die für die Synthese und den Abbau dieser Liganden verantwortlich sind, bilden das Endocannabinoid-System. Es stellt ein komplexes molekulares/biologisches Netzwerk dar, das über den ganzen Körper verteilt ist und eine entscheidende Rolle bei zahlreichen physiologischen Prozessen im Gehirn, in der Haut, dem Verdauungstrakt und der Leber sowie im Atmungs-, Herz-Kreislauf- und Fortpflanzungssystem spielt. Es beeinflusst die Gehirnentwicklung, die Freisetzung von Neurotransmittern und Zytokinen und reguliert damit emotionales Verhalten, Kognition, Fruchtbarkeit und Schwangerschaft.

Die pharmakologisch wichtigsten Phytocannabinoide sind Delta-9-Tetrahydrocannabinol (Δ9-THC, kurz: THC), das eine psychoaktive Wirkung hat, und Cannabidiol (CBD), das nicht psychoaktiv ist.

THC

THC, die wichtigste psychotrope Komponente, ist in der Lage, den CB1-Rezeptor zu aktivieren und psychoaktive Wirkungen, wie Hypolokomotion, Hypothermie, Katalepsie und Analgesie zu induzieren. Andererseits hat THC auch neuroprotektive, krampflösende und entzündungshemmende Wirkungen, die durch die Aktivierung verschiedener Rezeptoren, u. a. CB2, vermittelt werden. THC ist auch ein Agonist an den Ionenkanälen TRPV2, TRPV3 und TRPV4 (Transiente Rezeptor-Potential-Kationenkanäle der Unterfamilie V, die früheren Vanilloidrezeptoren), während es TRPV1 nicht beeinflusst. Auch als Agonist für die Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptoren (PPAR) beeinflusst THC die Transkription von Genen, die an der Energiehomöostase, der Lipidaufnahme und der Stoffwechselregulation beteiligt sind. Oral eingenommenes THC erreicht in der Regel seine maximale Plasmakonzentration innerhalb von 1–2 Stunden, wobei die Blutplasmaspiegel niedriger sind als beim Rauchen der Droge. Es überwindet leicht die Blut-Hirn-Schranke und kann in hohen Konzentrationen im Gehirn nachgewiesen werden. THC ist sehr lipophil und reichert sich im Fettgewebe, Herz, Leber und Milz an, die als langfristige Speicher dienen. Es wird in der Leber zu 11-Nor-9-Carboxy-THC bzw. zu 11-Hydroxy-THC metabolisiert, das auch psychoaktive Wirkungen haben soll.

Cannabidiol

Im Gegensatz dazu hat das nicht psychoaktive Cannabidiol (CBD) keine Auswirkungen auf die motorischen und kognitiven Funktionen oder die Körpertemperatur. Es zeigt eine geringe Aktivität für CB1- und CB2-Rezeptoren und wirkt als inverser Agonist für den menschlichen CB2-Rezeptor, was zu seiner entzündungshemmenden Wirkung beiträgt. CBD hemmt das Hungergefühl sowie die durch THC ausgelösten psychotische Wirkungen, die u. a. mit Tachykardie bzw. Angstzuständen verbunden sind. Außerdem vermindert es die zelluläre Aufnahme des endogenen CB1-Rezeptor-Liganden Anandamid, wodurch der Endocannabinoid-Tonus direkt beeinflusst wird. CBD induziert auch eine Reihe Cannabinoidrezeptor-unabhängiger Effekte, wie entzündungshemmende und immunsuppressive Wirkungen durch die Hemmung der zellulären Adenosin-Aufnahme. Die Wechselwirkung mit Serotoninrezeptoren ist ebenfalls an den therapeutischen Wirkungen von CBD beteiligt, da es als 5-HT1A (5-Hydroxytryptamin)-Agonist wirkt und die Aufnahme von Serotonin, Noradrenalin, Dopamin und GABA hemmt, was die anxiolytischen Eigenschaften von CBD erklären hilft. CBD ist auch ein Agonist an PPAR sowie TRPV1 und TRPV2. Die Verbindung ist sehr lipophil, hat eine schlechte orale Bioverfügbarkeit und reichert sich im Körperfett an. Sie wird in der Leber und im Darm durch CYP2C19 und CYP3A4 sowie Diphosphoglucuronosyltransferasen (UGT1A7, UGT1A und UGT2B7) metabolisiert. Der wichtigste menschliche Metabolit ist mit ca. 90% 7-Carboxy-Cannabidiol. CBD wird hauptsächlich über die Faeces (84%) und nur zu etwa 8% über den Urin ausgeschieden.

Δ 8 -Tetrahydrocannabinol (Δ8-THC) ist ein stabiles Isomer von Δ9-Tetrahydrocannabinol (Δ9-THC). Es zeigt psychoaktive Wirkungen und wirkt als Partialagonist an CB1- und CB2-Rezeptoren. Aktuelle Untersuchungen zeigen, dass Δ8-THC in präklinischen Modellen eine antinozizeptive Wirksamkeit über die Aktivierung von CB1-Rezeptoren induziert.

Cannabinol ist das Oxidationsprodukt von Δ9-THC und schwach psychoaktiv mit höherer Affinität zu CB2-Rezeptoren im Vergleich zu CB1-Rezeptoren. Die Verbindung aktiviert darüber hinaus TRPA1 (Transiente Rezeptor-Potential-Kationenkanäle der Unterfamilie A, Subtyp 1) und hemmt TRPM8 (Transiente Rezeptor-Potential-Kationenkanäle der Unterfamilie M, Subtyp 8). Beide Ionenkanäle sind an der Signalübertragung sensorischer Reize beteiligt.

Cannabigerol (CBG) ist ein nicht psychoaktives Phytocannabinoid mit geringer Affinität zu den Cannabinoidrezeptoren CB1 und CB2. Die Verbindung hemmt aber die Anandamid-Aufnahme und moduliert damit das Endocannabinoid-System. Außerdem aktiviert es α₂-Adrenozeptoren, hemmt den Serotoninrezeptor 5-HT1A und zeigt eine schwache Wechselwirkung mit TRPV1- bzw. TRPV2-Kanälen. Zu den potenziellen Angriffspunkten von CBG gehören die Enzyme der transienten Cyclooxygenase (COX-1 und COX-2). CBG induziert antiproliferative, antibakterielle und Anti-Glaukom-Wirkungen.

Cannabichromen (CBC), das in der Pflanze am häufigsten vorkommende Phytocannabinoid, weist eine geringe Affinität für CB1- und CB2-Rezeptoren auf, beeinflusst aber das Endocannabinoid-System ebenfalls durch Hemmung der Anandamid-Aufnahme. Pharmakologisch relevant sind die Beeinflussung der TRP-Kanäle in ähnlicher Weise wie Cannabigerol. CBC zeigt antinozizeptive und entzündungshemmende Wirkungen.

Detaillierte Angaben zu diesen und weiteren bisher bekannten Inhaltsstoffen sind der aktuellen Übersichtsarbeit von Pagano et al. zu entnehmen [1].

Prof. Dr. Dr. h. c. Matthias F. Melzig
Pharmazeut
Professor an der Freien Universität Berlin

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  1. Pagano C, Navarra G, Coppola L. et al. Cannabinoids: therapeutic use in clinical practice. Int J Mol Sci 2022; 23: 3344 DOI: 10.3390/ijms23063344.