HeilpflanzenporträtLeontopodium alpinum Cass. – das Edelweiß

Das Edelweiß wurde in der Alpenregion bei Bauchschmerzen, Angina, Bronchitis, Diarrhoe und Dysenterie eingesetzt. In diesem Porträt wird der Kenntnisstand zur arzneilichen Anwendung von L. alpinum zusammengefasst.

Inhalt
Edelweiß mit Bergpanpanorama im Hintergrund.
Ivan/stock.adobe.com

Der Edelweiß-Stern ist eine Scheinblüte, die echten Blüten sitzen in der Mitte des Sterns. Sie sind klein und gelblich. Blütezeit ist zwischen Juli und September.

Als charakteristische Pflanze der Alpen ist das Edelweiß (Leontopodium alpinum) allgemein bekannt. Abbildungen von Edelweiß-Blüten werden seit Langem als Motiv auf Bekleidung und auf zahlreichen Gegenständen, einschließlich Münzen (österreichische 2-Cent-Münze, schweizerische 5-Franken-Münze) sowie auf Ansichtskarten der Alpenregion und auch in großem Stil in der Werbung (u. a. Schweiz-Tourismus) verwendet. In zahlreichen Liedern, Büchern bzw. Romanen, Sagen und Erzählungen spielt Edelweiß eine Rolle, u. a. wird ihm eine Unsterblichkeit zugeschrieben; zudem wird Edelweiß als Symbol der Liebe angesehen [17], [21], [22], [28]. Abgesehen davon wurde bzw. wird die Pflanze von den Bewohnern der Alpen in der Volksmedizin eingesetzt, unter anderem bei Durchfallerkrankungen. Daneben ist heute in einigen kosmetischen Mitteln, insbesondere in Sonnenschutzcremes, Edelweiß als Extrakt zum Schutz der Haut enthalten. In diesem Porträt wird der Kenntnisstand zur arzneilichen Anwendung von L. alpinum zusammengefasst.

Zusammenfassung

Es steht unter Naturschutz und kann dank Kultivierung dennoch genutzt werden: das Edelweiß. Der Innsbrucker Arbeitsgruppe um Hermann Stuppner verdanken wir eine intensive Analytik der Inhaltsstoffe und ihrer pharmakologischen Aktivitäten.

In der Alpenregion wurde das Kraut von Leontopodium alpinum Cass. bzw. daraus hergestellte Zubereitungen arzneilich eingesetzt bei Bauchschmerzen, Angina, Bronchitis, Diarrhoe und Dysenterie; heute werden Edelweiß bzw. daraus gewonnene Extrakte nur noch in homöopathischen Mitteln, in kosmetischen Zubereitungen und vereinzelt in Lebensmitteln angewendet. Die phytochemische Untersuchung der gesamten Pflanze ergab ein breites Spektrum an Naturstoffen, wobei die Leontopodiumsäuren, Caffeoylchinasäuren, Flavonoide, Lignane, Cumarine sowie ein ätherisches Öl mit zahlreichen Terpenkomponenten charakteristisch sind. Moderne pharmakologische Untersuchungen bestätigen für Extrakte aus Edelweiß und daraus isolierte Einzelstoffe antiinflammatorische, analgetische und antimikrobielle Wirkungen sowie eine Hemmung der Peristaltik des Gastrointestinaltrakts und damit letztendlich die volksmedizinischen Anwendungsgebiete der Krautdroge von L. alpinum.

Botanik und Verbreitung des Edelweiß

Leontopodium alpinum Cass. (syn. Gnaphalium leontopodium L., Filago leontopodium L.) gehört zur Familie der Asteraceae; die Gattung Leontopodium besteht aus 30–40 Arten, die hauptsächlich in Asien vorkommen, speziell im tibetischen Hochland [18]. Die Gattungsbezeichnung „Leontopodium“ stammt vom griechischen Wort „Leontopodion“, wobei im Altgriechischen léon [λέων] für Löwe und podós [ποδός] für Fuß bzw. podárion [ποδάριον] und pódion [πóδιον] für Füßchen stehen; die Gattungsbezeichnung bezieht sich auf die filzig behaarten „Blütenblätter“ (Hochblätter), die wie Löwenpfötchen aussehen [1], [21], [22].

Im englischen Sprachraum wird Edelweiß auch heute noch als „Lion‘s foot“ und „Lion‘s paw“ und auf Französisch als „Pied-de-lion“ bezeichnet. Aber auch die Form der Blüte hat zu den volkstümlichen Bezeichnungen „Étoile de Glacier“ und „Étoile d´Argent“ im Französischen sowie „Stella alpina“ im Italienischen geführt. Im deutschen Sprachraum gibt es ebenfalls zahlreiche volkstümliche Bezeichnungen, u. a. „Bauchwehblüml“ (Hinweis auf volksmedizinische Anwendung!) und „Löwentrapp“ [21].

In der Renaissance war Edelweiß unter der Bezeichnung „Gnaphalium“, abgeleitet vom Altgriechischen gnáphalon [γνάφαλον] für „Wolle“ und „Filz“ bekannt [21]. Im 16. Jahrhundert war L. alpinum als „Wollblume“ bekannt und wurde so auch vom Zürcher Naturforscher Conrad Gessner (1516–1565) in seinem Werk ‚Historia Plantarum‘(1541) bezeichnet. Der italienische Botaniker Pietro Andrea Mattioli („Matthiolus“, 1501–1577) bildete in seinem Werk ‚Compendium de Plantis omnibus‘(1571) Edelweiß erstmals unter der Bezeichnung „Leontopodium“ ab [21], [22]. Die Bezeichnung „Edelweiß“ ist zum ersten Mal in der österreichischen Gebirgsregion im 18. Jahrhundert nachgewiesen und wird heute auch in unzähligen Sprachen verwendet [21].

In den Gebirgen Zentral- und Osteuropas kommen nur L. alpinum Cass. und L. nivale (Ten.) Huet vor; beide Arten unterscheiden sich in der Verbreitung und im Habitus: während L. alpinum eine Wuchshöhe von 8–30 cm hat und lockeren weißlichen Filz mit länglich-lanzettlichen Laubblättern aufweist und in den Pyrenäen, im Jura, in den Alpen, im Ligurischen Apennin, im nördlichen Balkan und in den Karpaten vorkommt, ist L. nivale mit einer Wuchshöhe von 1–5 cm wesentlich kleiner und besitzt einen dichten grauen Filz mit kurzen, spatelförmigen Laubblättern und einer Verbreitung nur in den Abruzzen, in den Dinarischen Alpen und im Pirin-Gebirge (Süd-Balkan). Von einigen Botanikern wird L. alpinum in die beiden Unterarten alpinum und nivale unterteilt [18] bzw. L. alpinum auch als Unterart von L. nivale aufgefasst („Leontopodium nivale subsp. alpinum (Cass.) Greuter comb. & stat. novi“) [10]; üblicherweise werden sie aber als zwei unterschiedliche Arten angesehen [18]. Im Nachfolgenden wird nur über L. alpinum Cass. berichtet.

L. alpinum wächst subalpin bis alpin auf sonnigen Lagen von 2000–3000 m Höhe und dort besonders auf steinigen, sonnigen Wiesen sowie auf Kalksteinfelsen. Optimal sind mäßige Trockenheit und magere Böden [19]. Die Pflanze ist in Österreich nur zerstreut bis selten, jedoch nicht im Burgenland, Wien und Oberösterreich zu finden [1], [19]. In der Schweiz ist L. alpinum in allen alpinen Kantonen heimisch [19]. In Deutschland existieren nur wenige Orte mit 2000 m Höhe, und bedingt durch Ausrottung durch Abpflücken ist L. alpinum heute nur in den Allgäuer Alpen und in den Bayerischen und Berchtesgadener Alpen zu finden [19].

Der unterirdische Teil von L. alpinum besteht aus einem schwarzen Rhizom mit zahlreichen fein behaarten Nebenwurzeln [18]. Im ersten Jahr erscheinen die rosettenartigen Blätter und erst im zweiten Jahr die Luftstängel mit einer Höhe von 3–30 cm, die am Ende die Blüten tragen; die Luftstängel tragen behaarte, wechselständige und breit lanzettliche Blätter [18]. Ab Mitte Juli sind die Blüten für 30–40 Tage bis September sichtbar: Die Blütenkorbstände, die Scheinblüten darstellen und auch als Superpseudanthien bezeichnet werden, bestehen aus den Hochblättern (ca. 5–15), die aufgrund der starken, wolligen Behaarung weiß schimmern und die charakteristische Sternform bilden. Darin eingebettet sind die Blütenköpfchen (ca. 2–12) mit den eigentlichen Blüten (jeweils ca. 15–60 Einzelblüten pro Blütenköpfchen) [1], [18]. Jede Blüte besteht aus 20–25 weißen, fadenförmigen Borsten, die gelbliche Blütenblätter umgeben, die wiederum trichterförmig zusammengewachsen sind. Dieser Trichter enthält die Stempel und Staubgefäße. Die Blüten sind fast immer zwittrig. Die Staubgefäße bestehen aus 5 Staubbeuteln und sind zu einer Röhre zusammengewachsen. Die Früchte sind Achänen, wie für Asteraceae charakteristisch; die Samen tragen einen als Flugapparat dienenden Pappus [1], [18].

Morphologisch weist L. alpinum verschiedene Besonderheiten auf, die als Anpassung an den alpinen Lebensraum anzusehen sind: Das Rhizom ist für das Überleben in kalten Jahreszeiten wichtig; die starke Behaarung der Stängel, Blätter und Hochblätter ist ein guter Schutz gegen zu starke UV-Strahlung und zu starke Verdunstung [18], [28]. Mikroskopisch bestehen die weißen Haare auf den Hochblättern aus parallelen Fasern, die einen Durchmesser von ca. 0,18 µm haben, was in der Größenordnung der Wellenlänge der UV-Strahlung liegt; UV-Strahlung wird innerhalb der Haare absorbiert und erreicht damit nicht die Pflanzenzellen der Hochblätter [32]. Auffallend ist bei den Hochblättern von Edelweiß, dass die Form und Größe von Pflanze zu Pflanze und an den unterschiedlichen Standorten stark variieren [18].

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde Edelweiß immer seltener, sodass diese Pflanze seitdem geschützt ist: In der Schweiz ist L. alpinum auf kantonaler und in Österreich und in Deutschland auf nationaler Ebene geschützt. Abgesehen von Polen ist die Pflanze in allen Ländern des gesamten Verbreitungsgebietes geschützt [19].

Die Vermehrung von L. alpinum erfolgt entweder durch Aussaat oder durch Teilung älterer Pflanzen [1]. In Lagen unterhalb von 1000 m neigt das Edelweiß ab dem dritten Wuchsjahr zum Vergrünen, und der Wirkstoffgehalt nimmt dann ab [28]. Zu Beginn der 1990er-Jahre begann in der Schweiz die landwirtschaftliche Produktion des Edelweiß, um insbesondere den Bedarf für kosmetische Produkte zu decken [33]. In einem aufwändigen Versuchsprogramm wurde die Sorte „Helvetia“ entwickelt, die sich neben einem guten Wachstum in mittleren Höhen (1000–1500 m) auch durch einen hohen Wirkstoffgehalt auszeichnet. Seit 2005 gibt es bei Orsières im Wallis das erste Edelweißfeld mit der Sorte „Helvetia“; weitere Kulturen an anderen Orten in der Schweiz folgten [28], [33]. In den 1990er- Jahren fanden auch erfolgreiche Versuche zu In-vitro-Kulturen von Edelweiß statt [33].

Phytochemie des Edelweiß

Genaue Untersuchungen zu den Inhaltsstoffen von L. alpinum gibt es erst seit den 1970er-Jahren. Seitdem wurden für die oberirdischen Teile, die auch ursprünglich in der alpenländischen Volksmedizin verwendet wurden, ca. 20 Inhaltsstoffe identifiziert und strukturell aufgeklärt [2], [7], [8], [11], [24], [25], [31]: Neben zahlreichen Flavonoiden, die sich fast ausschließlich von den Flavonen Apigenin und Luteolin ableiten und in mono- oder diglykosidischer Form vorliegen (z. B. Luteolin-4´-O-glucopyranosid, Luteolin-7-O-glucopyranosid), und Dicaffeoylchinasäure-Derivaten und Chlorogensäure finden sich in den oberirdischen Teilen von L. alpinum die Leontopodiumsäure („leontopodic acid“) und die Leontopodiumsäure B [Abb. 1]; bei den letzteren beiden Verbindungen handelt es sich um Glucarsäuren, die mit 3 Molekülen Kaffeesäure verestert sind und erstmals als Naturstoffe isoliert wurden. Zudem wurden die Lignane Leoligin, 5-Methoxyleoligin und 5,5´-Dimethoxyleoligin, isoliert [Abb. 5]; auch diese 3 Naturstoffe wurden erstmals aus L. alpinum isoliert.

In jüngerer Zeit wurden auch die unterirdischen Teile von L. alpinum eingehend phytochemisch untersucht: Charakteristisch ist ein ätherisches Öl, das zahlreiche Sesquiterpene enthält, u. a. Isocomen, Modhepten sowie weitere Verbindungen mit trizyklischer Struktur und Bisabolan-Derivate, Lignane (wie auch im oberirdischen Teil), Cumarine (u. a. Obliquin), daneben aber auch ein Benzopyran-4-on, ein Benzofuran, Polyacetylen-Derivate sowie Chlorogensäure [3], [5], [9], [11], [12], [13], [15], [20], [23], [27], [35]. In Kalluskulturen und in Wurzelzellkulturen wurden die gleichen Inhaltsstoffe festgestellt wie im unter- und oberirdischen Teil von L. alpinum. Eine ausführliche Zusammenstellung aller bisher isolierten Inhaltsstoffe aus dem ober- und unterirdischen Teil findet sich in einem Übersichtsartikel [29].

Volksmedizinische Verwendung des Edelweiß

Die Verwendung der Krautdroge von Edelweiß, Herba Leontopodii, in der Volksmedizin der Alpenregion ist seit Jahrhunderten bekannt. Im 16. Jahrhundert wurde die Pflanze von Jacobus Theodorus (1522–1590), besser bekannt unter dem Namen Tabernaemontanus, in seinem Kräuterbuch abgebildet („kleiner Löwenfuß“), allerdings vermerkte er, dass das Kraut nicht arzneilich verwendet werde, aber wie die Ruhrkräuter eingesetzt werden könne [28], was auf die Anwendung bei Diarrhoe und Dysenterien hindeutet.

Bereits seit dem 19. Jahrhundert wird Edelweiß in der Volksmedizin der Alpenregion bei Bauchschmerzen, Angina, Bronchitis, Diarrhoe und Dysenterie bei Mensch und Tier eingesetzt (Dalla Torre, 1895, in [33]). Für unspezifisches Bauchweh bei Kindern wird es in Milch gekocht, mit Haferschleim bei Darmkrämpfen als Suppe angewendet.

Bekannt ist heute auch die Anwendung von Edelweiß in homöopathischen Zubereitungen, u. a. aufgrund einer gedächtnisverbessernden Wirkung und in der Potenz C30 als Akutmittel bei stumpfen Verletzungen [28].

Sonstige Verwendung

Neben der Verwendung in der Volksmedizin des Alpenraums sind Extrakte von L. alpinum in kosmetischen Mitteln wie Sonnen- und Anti-Aging-Cremes sowie in Seifen zu finden; zudem enthalten Lebensmittel wie Eistees, Bier, Brot, Liköre und Schokolade Edelweiß als Zutat [33].

Pharmakologische Wirkungen des Edelweiß

Auch wenn in der Volksmedizin ursprünglich der oberirdische Teil zu arzneilichen Zwecken eingesetzt wurde, wurden in pharmakologischen Studien zur Wirkung von Edelweiß auch die unterirdischen Teile der Pflanze untersucht. Alle pharmakologischen Untersuchungen sind erst nach dem Jahr 2000 veröffentlicht.

Antimikrobielle Aktivitäten

In einem breit angelegten Screening wurden Dichlormethan-Extrakte der unter- und oberirdischen Teile von L. alpinum im Agardiffusionstest hinsichtlich antimikrobieller Aktivitäten gegen Bakterien und Pilze untersucht. Antibakterielle Wirkungen wurden gegen Bacillus subtilis, Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus und Streptococcus pyogenes beobachtet. In einer nachfolgenden Untersuchung wurden 15 Inhaltsstoffe aus L. alpinum mittels Mikrodilutionsmethode getestet: Sesquiterpene zeigten signifikante antibakterielle Wirkungen gegen Enterococcus faecium, Streptococcus pneumoniae, Staphylococcus aureus und Streptococcus pyogenes; Linol- und Linolensäure waren u. a. gegen die Keime Streptococcus pneumoniae und Streptococcus pyogenes stark wirksam. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass die beobachteten starken antimikrobiellen Wirkungen einzelner Inhaltsstoffe die traditionelle Anwendung von Edelweiß bei abdominalen Schmerzen, Diarrhoe und Dysenterie bestätigen [4].

Antiinflammatorische Aktivitäten

In einem In-vitro-Test wurde für verschiedene Inhaltsstoffe aus den Wurzeln von L. alpinum eine Hemmung der Leukotriensynthese nachgewiesen; dabei zeigten Sesquiterpene vom Bisabolan-Typ, Lignane und ent-Kaurenoat die höchste Aktivität [23]. Im Testmodell des Carrageenan-induzierten Rattenpfotenödems konnte für Extrakte aus den unter- und oberirdischen Teilen von L. alpinum (perorale Applikation) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (Placebo) eine Verringerung der entzündlichen Wirkung von Carrageenan beobachtet werden, wobei Extrakte aus den oberirdischen Teilen, insbesondere die lipophilen Extrakte, stärker wirksam waren als Extrakte aus den unterirdischen Teilen [26].

Dosisabhängige antiinflammatorische Wirkungen konnten auch für einen ethanolischen Extrakt aus Kalluszellen von L. alpinum, der einen hohen Gehalt an Leontopodiumsäure enthielt, an primären humanen Keratinozyten und Endothelzellen nach der Einwirkung verschiedener Noxen (UVA, UVB, Lipopolysaccharid, oxidiertes Low-density-Lipoprotein, Zytokine) auf diese genannten Zellen festgestellt werden [11]. In vivo konnten topische antiinflammatorische Aktivitäten von Extrakten aus den unter- und oberirdischen Teilen von L. alpinum im Testmodell der Crotonöl-induzierten Ohrdermatitis bei Mäusen nachgewiesen werden. Die Dichlormethan-Extrakte waren besonders wirksam und zeigten dosisabhängig eine Verringerung der Entzündung; die Autoren führen die Wirkung der Dichlormethan-Extrakte auf Fettsäuren (Extrakt aus den oberirdischen Teilen) bzw. auf die Sesquiterpene, Cumarine und Lignane (Extrakt aus den unterirdischen Teilen) zurück [6].

Die vorliegenden Ergebnisse belegen, dass Extrakte aus den unter- und oberirdischen Teilen antiinflammatorische Wirkungen nach peroraler und topischer Anwendung aufweisen.

Antioxidative Wirkungen

Im Briggs-Rauscher-Test, einem In-vitro-Testsystem zur Untersuchung, ob Testsubstanzen Hydroperoxyl-Radikale abfangen können, konnten moderate relative Aktivitäten für Extrakte aus den unter- und oberirdischen Teilen von L. alpinum ermittelt werden [26]. In weiterführenden Untersuchungen konnten in diesem Testsystem starke antioxidative Wirkungen für die Leontopodiumsäure nachgewiesen werden [24]. In weiteren Testassays, u. a. den TEAC-Assay, in dem die Entfärbung des ABTS-Radikals in Gegenwart von Testsubstanzen untersucht wird, wurde für Leontopodiumsäure eine antioxidative Aktivität gezeigt [24]. Der sog. Damaged DNA Detection Assay untersucht in vitro die Fähigkeit von Antioxidantien, die DNA als wichtigen Angriffsort von Radikalverbindungen mit Sauerstoff (ROS) zu schützen. Verglichen mit anderen bekannten Antioxidantien, z. B. Chlorogensäure und Silymarin, wies die Leontopodiumsäure ein außergewöhnlich hohes antioxidatives Potenzial auf [24].

In entzündetem Gewebe spielen immer auch ROS eine Rolle bzw. ROS sind dort vermehrt anzutreffen, sodass die starken Radikalfängereigenschaften von Leontopodiumsäure die antiinflammatorischen Wirkungen von Extrakten aus L. alpinum bzw. von daraus isolierten Einzelsubstanzen unterstützen dürften.

Analgetische Wirkungen

An Mäusen wurde im sog. Essigsäure-induziertem Krümmungstest (Writhing-Test), bei dem intraperitoneal eine 1%ige Essigsäure appliziert wird, die Auswirkung von Edelweiß-Extrakten (unter- und oberirdische Teile) auf die Kontraktion des abdominalen Muskels und die Verlängerung der Hinterbeine untersucht und dabei die Zahl der abdominalen Krümmungen in einem Zeitraum von 20 Minuten aufgezeichnet. Dabei zeigte sich, dass sowohl ein Extrakt aus den unterirdischen als auch aus den oberirdischen Teilen von L. alpinum nach oraler Gabe im Vergleich zu Placebo signifikant die Krümmungen verringerten, wobei der Wurzelextrakt wirksamer war; dabei war die Wirkung allerdings nicht so stark wie diejenige von Morphin [26].

Wirkungen auf den Gastrointestinaltrakt

In einem Test an Mäusen wurde die Wirkung von Krautextrakten von L. alpinum auf die Magen-Darm-Peristaltik im Vergleich zu dem Wirkstoff Loperamid bzw. Placebo untersucht. Dazu wurde den Versuchstieren eine Aktivkohle-Zubereitung vor Versuchsbeginn verabreicht. Die Länge des Transitwegs der Aktivkohle im Magen und Darm wurde 45 Minuten nach Applikation der Krautextrakte, des Loperamids bzw. der Placebozubereitung bestimmt, indem die Organe nach Tötung der Versuchstiere entnommen wurden. Für den untersuchten Dichlormethan-Extrakt aus den oberirdischen Teilen von L. alpinum konnte eine Verringerung des Transitwegs (=Verringerung der Peristaltik von Magen und Darm) beobachtet werden, ähnlich wie für den Wirkstoff Loperamid [26]. Diese Ergebnisse liefern einen Hinweis, dass Extrakte aus Edelweiß antidiarrhoische Wirkungen aufweisen.

Anticholinerge Wirkungen

Für Dichlormethan-Extrakte aus den unterirdischen Teilen von L. alpinum konnten in vitro und in vivo (Maus) eine Erhöhung der extrazellulären Acetycholin-Konzentration und eine Hemmung der Acetylcholin-Esterase gezeigt werden. In einem aktivitätsgeleiteten Screening konnten diese Wirkungen bestimmten Sesquiterpenen aus den Wurzelextrakten von L. alpinum, u. a. Isocomen und 14-Acetoxyisocomen, zugeordnet werden [13]. Wirkungen der Wurzelextrakte und insbesondere anticholinerge Effekte gehören nicht zu den überlieferten arzneilichen Wirkungen von Edelweiß, so dass diese Untersuchungen auf weitere mögliche Anwendungsgebiete von Edelweiß und daraus isolierten Einzelverbindungen hindeuten.

Wirkungen von Einzelstoffen

Lignane aus Edelweiß wurden in weiteren Assays untersucht. Eine Zusammenstellung ist in [Tab. 1] wiedergegeben. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Lignane aus Edelweiß auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen ein mögliches Anwendungsgebiet in der Zukunft haben könnten.

Substanz

Wirkung

Literatur

Leoligin

In vitro: Der Efflux von Cholesterol aus Makrophagen wird induziert; die Autoren empfehlen, dass weitere Studien zur Anwendung bei Atherosklerose stattfinden sollten

[34]

Leoligin

In vitro und in vivo (transgene Maus): Interaktion mit Cholesterylestertransfer-Protein (CETP), das bei Metabolismus von High-Density Lipoprotein eine Rolle spielt; in vivo Erhöhung der Aktivität von CETP; Autoren schlussfolgern, dass weitere Untersuchungen im Hinblick auf die Behandlung von Atherosklerose durchgeführt werden sollten

[7]

Leoligin

In vivo (Maus): Hemmung von unerwünschten Gefäßverdickungen bei venösen Bypässen

[16]

5-Methoxyleoligin

In vitro: Stimulation der CYP26B1-abhängigen Angiogenese; in vivo (Ratte): Induktion der Arteriogenese im Herz nach Infarkt

[15]

Fazit

Edelweiß steht sinnbildhaft für die Alpenregion und hat die Menschen in allen Jahrhunderten aufgrund des besonderen Aussehens der Blüte fasziniert. Die arzneiliche Anwendung durch die Bevölkerung dieser Region hat nur untergeordnet eine Rolle gespielt. Pharmakologische Untersuchungen zu Extrakten aus Edelweiß und vereinzelt zu daraus isolierten Inhaltsstoffen liegen vor und bestätigen die volksmedizinischen Anwendungsgebiete aufgrund der nachgewiesenen antiinflammatorischen, analgetischen, antimikrobiellen Wirkungen und der Hemmung der Peristaltik des Gastrointestinaltrakts. In neuerer Zeit sind für einzelne Inhaltsstoffe noch zusätzliche Aktivitäten gefunden worden, aus denen sich für Einzelstoffe aus L. alpinum weitere potenzielle Anwendungsgebiete ergeben könnten.

Dr. Klaus Peter Latté

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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