InfektChinesische Arzneimitteltherapie bei Infekten

Bei der Behandlung von Infekten ist die chinesische Arzneimitteltherapie eine hervorragende Option: die Symptome werden gelindert, der Krankheitsverlauf wird wesentlich verkürzt.

chinesische Arzneistoffe auf einer Hängewaage
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Die Behandlung von Erkältungskrankheiten und Infekten mit chinesischer Arzneimitteltherapie ist eine hervorragende Option und oft rasch wirksam.

Akute Infekte lassen sich mithilfe traditioneller chinesischer Arzneimittel oft rasch behandeln, die Symptome werden gelindert und der Krankheitsverlauf wird wesentlich verkürzt. Anhand wichtiger Syndrommuster können passende Rezepturen schnell und einfach gefunden werden.

Hintergrund

Die „klassische“ chinesische Medizin (CM) beurteilt die Arzneimitteltherapie als das „Herzstück“, als weitaus wichtigste Behandlungsmethode. Akupunktur-Moxibustion, Tuina, Diätetik/Lebenspflege (yangsheng) und Taiji-Qigong (die 4 anderen Säulen der CM) gelten als weniger wirksam bzw. für andere Indikationsgebiete wie die Schmerztherapie geeignet. Für viele Ärzt*innen und Therapeut*innen scheint die chinesische Arzneimitteltherapie aber durch die große Anzahl von einzelnen Arzneimitteln und Rezepturen sowie die dann erforderliche sichere Einordnung eines Krankheitsbilds in ein Syndrommuster der CM eine zu große Hürde zu sein.

Dabei ist die Behandlung von Erkältungskrankheiten und Infekten sehr einfach, die Rezepturen sind klar, alle Bestandteile sind in Apotheken in Deutschland und den anderen deutschsprachigen Ländern in hoher Qualität erhältlich. Und für Ärzt*innen besonders wichtig: Man hat damit ein neues Werkzeug an der Hand, das gut und schnell wirksam ist. Dies ist nicht nur durch eine umfassende klinische Erfahrung offensichtlich, Metaanalysen (Cochrane-Reviews) geben positive Wirkhinweise.

Hier noch ein Zitat eines großartigen Lehrers und des Autors der Standardlehrbücher zu chinesischen Arzneimitteltherapie, Dan Bensky: „Die chinesische Medizin ist erst dann im Westen angekommen, wenn die Menschen wissen, wie gut sie bei Infekten wirkt“ [1].

Die letzten mehr oder weniger bedrohlichen Wellen viraler Mutationen wie Covid-19, MERS oder die „Vogelgrippe“ wurden in den asiatischen Ländern bevorzugt mit chinesischen Arzneimitteln behandelt.

Eine große Reihe von Arzneikräutern wie Lonicera flos (jinyinhua), Forsythiae fructus (lianqiao), Indigo naturalis (qingdai) weisen antivirale Eigenschaften auf, andere wie Coptis rhizoma (huanglian) wirken auch antibakteriell. Durch die Kombination mehrerer ähnlicher Arzneidrogen werden die Effekte oft nicht nur addiert, sondern synergistisch multipliziert.

In diesem Artikel werden die bei uns wichtigen Syndrommuster, die passenden Arzneimittel und Rezepturen praktikabel vorgestellt, sodass diese problemlos bei der nächsten Infektwelle eingesetzt werden können.

Die Rationale der chinesischen Arzneimittel

Die chinesische Arzneitherapie (CAT) basiert auf:

  • der Biodiversität Chinas (ca. 12 % aller weltweit bekannten Pflanzenarten sind in China beheimatet) und dem daraus resultierenden hohen Anteil arzneilich nutzbarer Arten. Es gibt rund 700 offizielle Einträge in der Pharmakopoe von China [14].
  • der induktiv-empirischen Systematik der Traditionellen Chinesischen Medizin [10] und des – über die Zeitläufte hinweg – bewahrten traditionellen Medizinwissens
  • der Kombination von 2–15 Arzneikräutern zu Rezepturen zur Wirkverstärkung, Nutzung von Synergismen einzelner Arzneipflanzen, Lenkung der Rezepturmischung und Minderung von Geruchs-, Geschmacksbelästigung sowie von unerwünschten Arzneiwirkungen

Prinzipiell handelt es sich bei der CAT um eine allopathische Medizin. Zu den Inhaltsstoffen liegen umfangreiche Untersuchungen vor [8].

Wie in der Phytotherapie üblich, sind nur sehr selten einzelne Wirkstoffe identifizierbar (Beispiel UDCA, Artemisin, Berberin, Baikalin), sondern Wirkstoffgemische für die Wirkung verantwortlich. Diese Wirkstoffgemische entfalten nur als solche den gewünschten Effekt (westliches Beispiel Johanniskrautextrakt, Beispiel Behandlung von multiresistenten MRSA durch Qingre-Extrakt).

Zur Materia Medica, zu den Rezepturen und zum System sind Standardwerke erhältlich [5] [1] [13] [10] [11]. Die European Medicines Agency (EMEA) hat inzwischen eine Vielzahl europäischer Monografien chinesischer Arzneidrogen erarbeitet.

Evidenzlage

Nach der Evidenzhierarchie der evidenzbasierten Medizin gibt es Cochrane-Reviews mit positiven Evidenzhinweisen zu akuten Infekten der Atemwege (common cold) und zu Influenza. Bei Letzterem war das Forschungsteam jedoch durch die verschiedenen chinesischen Differentialdiagnosen abhängig vom Syndrommuster und dadurch verschiedenen Rezepturen nicht in der Lage, eine einheitliche Rezeptur zu filtern.

Pathogene Faktoren, Syndrommuster, Therapiestrategien und Rezepturen

Aus Sicht der chinesischen Medizin werden Infekte durch „äußere pathogene Faktoren“ (6 klimatische Exzesse, liuyin) verursacht: Kälte (algor, han) meist in Kombination mit Wind (ventus, feng), Hitze (calor, re) und sog. Feuer-Toxischem (ardor, duhuo), Sommerhitze (aestus, shu) und manchmal auch Feuchtigkeit (humor, shi).

Die Vorstellung ist, dass diese Pathogene in die Oberfläche (extima, biao) über die Leitbahnen oder Schleimhäute (Funktionskreis Lunge und Große-Yang-Leitbahnen) eindringen und zunächst die Wehrenergie (qi defensivum, weiqi) blockieren. Dies führt zu Frösteln, Schüttelfrost, leichtem Fieber, Schwitzen (abhängig vom Pathogen und Stadium), Muskel- und Kopfschmerzen, Müdigkeit und Abgeschlagenheit.

Berücksichtigt wird immer auch die allgemeine Konstitution – liegt eine energetische Erschöpfung (depletio/xu) vor? – und das Stadium der Erkrankung (nach shanghanlun- und wenbing-Lehre).

Die hier gebrauchte Differenzierung erfordert lediglich die Orientierung an den Symptomen; zwar sind Grundkenntnisse nützlich, weitreichende Erfahrungen in der Puls- und Zungendiagnostik sind aber nicht notwendig. Im Folgenden werden die am häufigsten in der Praxis vorkommenden Syndrommuster und ihre Behandlung vorgestellt.

Kälte-Wind-Schädigung in der Oberfläche (algor venti, hanfeng)

Typische Symptome sind:

  • Exposition des Körpers in einer (zu) kalten Umgebung, starker Luftzug, Klimaanlage
  • Frieren und Kältegefühl, auch Einwickeln in warme Kleidung oder Decken bringt nur kurzzeitige Erwärmung
  • leichte bis starke Kopfschmerzen, Schmerzen in den Muskeln, Armen, Beinen und/oder im Rücken
  • Naselaufen (sehr viel klares Sekret)
  • evtl. Druck auf der Brust und Husten ohne Auswurf
  • Kein Schwitzen! (wichtiges Leitsymptom)
  • Die Pulse sind nach oben drängend, mächtig und voll, unter Umständen verlangsamt (pp. tardi, repeleti et superficiales).
  • Die Zunge ist meist wenig verändert, meist sehr blass und etwas feucht.

In der chinesischen Pharmakopoe steht eine Vielzahl von Arzneimitteln bereit, die die Oberfläche wärmen, pathogene Wind-Kälte (algor venti, hanfeng) ausleiten und dadurch auch schmerzstillend und infektbehebend wirken. All diese Kräuter sind warm, meist auch von der Geschmackswirkung scharf und aromatisch und wirken auf die „Oberfläche“ (Extima, biao) und auf den Funktionskreis Lunge.

Grundrezeptur 1 bei Kälte-Wind (algor venti, hanfeng)

Ephedra-Dekokt (mahuangtang)

  • Ephedra herba (mahuang) 9 g
  • Cinnamomi ramuli (guizhi) 9 g
  • Armeniacae semen (xingren) 6 g
  • Glycyrrhizae radix (gancao) 3 g

Angaben in Tagesdosis im Dekokt, das bei Kälte-Wind und generell bei Infekten die sinnvollste und wirksamste Form ist. Man nimmt 3–6 Tassen des Dekokts am Tag zusammen mit heißem Wasser und sollte dazu Reis essen. Das Ephedra-Dekokt wirkt schnell und sollte zur raschen Erwärmung führen, auch Husten und Druck im Funktionskreis Lunge sollten schnell verschwinden. Ziel ist das Schwitzen. Sobald der Patient oder die Patientin dies tut, sollte die Einnahme gestoppt werden. Die Einnahme ist meist nur 1–3 Tage lang notwendig.

Das Ephedra-Dekokt ist schnell und stark wirkend bei Kälte-Wind (algor benti, fenghan), darf aber nur bei einem solchen Syndrommuster gegeben werden – sonst werden durch zu viel Schwitzen die Säfte geschmälert und es kann auch bei zu hoher Dosis zu Unruhe und Schlafstörungen kommen.

CAVE: Ephedra herba (mahuang) darf nur von Ärzten verschrieben werden, Leistungssportler müssen dies angeben. Denn leider kann aus Ephedra auch Metamphetamin synthetisiert werden, daher steht diese seit über 2500 Jahren verwendete Arznei unter Beobachtung.

Meist kommen die Patient*innen nicht im ganz akuten Stadium, sondern wenn der Infekt länger anhält. Auch liegt oft eine energetische Erschöpfung (depletio/xu) des Qi defensium (Wehrenergie/weiqi) vor, was zu einem verzögerten Verlauf führen kann.

Typische Symptome des Syndrommusters Kälte-Wind (algor venti/hanfeng) mit verzögertem Verlauf sind:

  • Frieren und Frösteln, über 3 Tage oder auch 1–2 Wochen
  • mäßiggradige Muskel- und Gliederschmerzen
  • Kopfschmerzen
  • Müdigkeit und Abgeschlagenheit
  • Husten ohne produktiven Auswurf
  • Die Nase ist meist verstopft.
  • kein Schweiß oder der Schweiß bringt keine Erleichterung
  • eine blasse Zunge und geschwächte, aber oberflächliche Pulsbilder

Hier ist die Basisrezeptur 2 sehr hilfreich. Sie sollte mind. 1 Woche oder länger gegeben werden.

Grundrezeptur 2 bei Kälte-Wind (algor venti, hanfeng)

Zimtästchen-Dekokt (guizhitang), modifiziert

  • Cinnamomi ramuli (guizhi) 9 g
  • Paeonia lact. radix (baishao) 9 g
  • Zingiberis viride rhizoma (shengjiang) 4,5 g
  • Jujubae fructus (dazao) 3 g
  • Glycyrrhizae radix (gancao) 3 g

Bei Hustenkann man dazugeben:

  • Armeniacae semen (xingren) 9 g
  • Platycodi radix (jiegeng) 6 g

Bei allgemeiner Erschöpfung, leichter Kurzatmigkeit bei Belastung und spontanem Schwitzen kann man hinzufügen:

  • Astragali radix (huangqi) 9 g
  • Atractylodis macro. rhizoma (baizhu) 6 g
  • Saposhnikoviae radix (fangfeng) 6 g

(Angaben als Tagesdosen im Dekokt.)

Wie generell in der CAT kann man eine Vielzahl anderer Arzneimittel mit diesem Rezept aus dem „Shang Han Lun“, dem ältesten Rezepturbuch der CM (ca. 3. Jh. n. Chr.), zusammengeben. Dieses Rezept ist sicher, wirkt zuverlässig und führt bei richtigem Syndrommuster zur Stabilisierung auch des Qi defensivum (Wehrenergie, weiqi).

Cinnamomi Cassiae ramuli (guizhi)

Die Ästchen des Zimtbaums sind warm, süß und scharf. Sie wärmen die Muskeln, speziell auch die Leitbahnen und auf diese Weise den ganzen Körper, Schmerzen und Verkrampfungen werden gemildert.

Sie öffnen sanft die verschlossenen Poren und induzieren leichtes Schwitzen als Indikator für die Ausleitung des Pathogens. Cinnamomi ramuli (guizhi) wirkt in allen 12 Hauptleitbahnen, besonders am Rücken, an den Schultern und auch im Unterleib.

Hitze-Wind-Schädigung in der Oberfläche (calor venti, fengre)

Die wichtige Differenzialdiagnose bei grippalen Infekten ist immer das Syndrommuster „Hitze-Wind-Schädigung in der Oberfläche“. Bei genauer Befragung und etwas Erfahrung lässt es sich sehr gut vom ersten Bild der Wind-Kälte unterscheiden. Typische Merkmale sind:

  • Beginn meist im Frühjahr und Sommer oder auch als Mitbringsel aus wärmeren Regionen
  • meist schneller, manchmal auch schleichender Beginn
  • initial oft Halsschmerzen
  • meist Frösteln, aber weniger ausgeprägt als bei Wind-Kälte
  • initial leichtes Schwitzen (Leitsymptom!)
  • Hals, Rachen und auch vorderes Zungendrittel sind gerötet.
  • leichte Kopf- und Gliederschmerzen
  • „grippales Syndrom“, Krankheitsgefühl, Müdigkeit, Schwäche und Abgeschlagenheit
  • Lymphknoten und Tonsillen können gerötet sein.
  • Der Puls ist etwas beschleunigt und oberflächlich.

Dieses in der Praxis häufige Bild kann sehr erfolgreich mit folgendem Rezept kuriert werden:

Rezeptur bei Wind-Hitze (calor venti, fengre)

Lonicera-Forsythia-Pulver (yinqiaosan) und Modifikation

  • Lonicera flos (jinyinhua) 10 g
  • Forsythiae fructus (lianqiao) 6 g
  • Platycodi radix (jiegeng) 6 g
  • Arctii fructus (niubangzi) 9 g
  • Menthae herba (bohe) 5 g
  • Soja semen präp. (dandouchi) 3 g
  • Schizonepetae herba (jingjie) 6 g
  • Lophateri herba (danzhuye) 9 g
  • Phragmitis rhizoma (lugen) 9 g
  • Glycyrrhizae radix (gancao) 4,5 g

(Tagesdosen im Dekokt)

Diese Rezeptur gibt man in der Regel 3–7 Tage mit der Maßgabe, dass sich der Patient oder die Patientin bei einer Verschlechterung wieder vorstellen soll. Bei gegebenem Syndrommuster kann das Lonicera-Forsythia-Pulver (yinqiaosan) neben grippalen Infekten, akuter und chronischer Tonsillitis auch bei Mononukleose verordnet werden.

Für die Langzeiteinnahme sind auch Granulate (gefriergetrocknete Pulverextrakte) oder Fertigpräparate (im Handel als Nahrungsergänzungsmittel deklariert) geeignet.

Die Wirkung tritt in der Regel nach 2–3 Tagen ein, die weitere Behandlung richtet sich nach dem Verlauf.

Pathogene dringen tiefer in den Funktionskreis Lunge ein und werden zu Feuer-Glut (ardor, huo) transformiert.

Bei nicht adäquater oder zu später Behandlung kann das Pathogen schnell tiefer in den Funktionskreis Lunge oder sogar den Funktionskreis Magen eindringen und erzeugt hochakute Beschwerden:

  • Der Puls wird schnell und oberflächlich.
  • hohes Fieber
  • großer Durst
  • allgemeines Hitzegefühl und starkes Schwitzen
  • u. U. Unruhe des Patienten oder der Patientin und Fieberträume
  • Husten mit massivem gelblichem Auswurf
  • schweres Krankheitsgefühl

Die Zunge ist dann deutlich verändert, sehr rot und meist findet sich ein dicker gelber Belag. Prinzipiell kann dieses Krankheitsbild, das klinisch-westlich einem schweren bronchopulmonalen Infekt entspricht, mit folgendem Rezept behandelt werden:

Rezeptur bei Hitze im FK Lunge (calor o.pulmonalis, feire)

Modifiziertes Ephedra-armeniaca-Gypsum-Dekokt (jia maxingshigantang)

  • Ephedra herba (mahuang) 6 g
  • Gypsum (shigao) 24 g
  • Scutellariae radix (huangqin) 9 g
  • Houttuyniae herba cum radice (yuxingcao) 9 g
  • Armeniacae semen (xingren) 9 g
  • Platycodi radix (jiegeng) 6 g
  • Glycyrrhizae radix (gancao) 3 g

(Angaben als Dekokt in Tagesdosen)

Bei gegebener Syndromkonstellation führt diese Rezeptur zur raschen Entfieberung. Gleichzeitig wird gelber Schleim gelöst und Keuchatmung gestillt. Sie ist eine wirkliche Alternative, besonders wenn bei einem bronchopulmonalen Infekt die Entzündungsparameter gegen eine bakterielle Infektion sprechen. Man verordnet diese Rezeptur für 2–3 Tage und bestellt den Patienten oder die Patientin dann zur Kontrolle ein.

Ein weiteres wichtiges Syndrommuster zur Differenzierung bei akuten Infekten ist im Sommer die sog. „Sommerhitze“ (aestus, shure). Sie verläuft anders und trifft durch die klimatische Konstellation bereits auf einen Patienten oder eine Patientin mit „offenen Poren“ (chin. Couli). So kann sie schneller eindringen und einen sehr akuten Verlauf nehmen. Gleichzeitig besteht aus Sicht der CM eine hohe Gefährdung des Yin, von Säften und der Klarheit des Shen („Geistes“), also die Gefahr von Kollaps, Verlust von klarem Denken und Bewusstsein.

Pathogen Sommerhitze (aestus, shure) dringt in den Funktionskreis Lunge und Milz ein.

  • Leitsymptome der Sommerhitze sind:
  • akuter Beginn, starkes Krankheitsgefühl
  • Frösteln und dennoch Schweißausbrüche
  • starke ungewohnte Kopfschmerzen
  • Unruhe bis hin zur Bewusstseinstrübung
  • Durchfälle
  • starke Muskel- und Gliederschmerzen
  • hohes Fieber
  • starkes Durstgefühl
  • Der Puls ist beschleunigt, die Zunge dick belegt.

Basisrezeptur Sommerhitze

Modifiziertes Pogostemis-Dekokt zur Wiederherstellung des geraden Qi (jia huoxiangzhengqi tang)

  • Pogostemis herba (huoxiang) 9 g
  • Perillae foliae et caulis (zisuye) 6 g
  • Angelica dahurica radix (baizhi) 6 g
  • Moslae herba (ruxiang) 9 g
  • Platycodi radix (jiegeng) 6 g
  • Atractylodis macro. rhizoma (baizhu) 6 g
  • Magnoliae cortex (houpo) 5 g
  • Pinelliae rhizoma (banxia) 6 g
  • Arecae pericarpium (dafupi) 6 g
  • Poria (fuling) 12 g
  • Citri retic. pericarpium (chenpi) 6 g
  • Glycyrrhizae radix (gancao) 3 g
  • Talcum (huashi) 15 g
  • Gypsum (shigao) 30 g
  • Phragmitis communis rhizoma (lugen) 30 g

Dieses Dekokt wird für 3, längstens 7 Tage verordnet und führt i. d. R. innerhalb von 1–2 Tagen zur deutlichen Besserung, einem schnellen Rückgang besonders der Kopfschmerzen, der Temperaturen und des Durchfalls und zur Stabilisierung des Shen („Geist“). Andernfalls muss die Rezeptur dann angepasst oder es müssen andere Maßnahmen ergriffen werden.

Zustand nach schwerem Infekt

Sehr häufig erleben wir bei unseren Patient*innen aktuell protrahierte Verläufe mit langer Abgeschlagenheit, Husten, Verschleimung und noch leichtem Fieber. Dies entspricht in der CAT einem noch bestehendem residualen Pathogen, ggf. aber auch schon Schädigung des Yin des Funktionskreises der Lunge und des Qi.

Typische Symptome sind:

  • Fieber
  • Durst
  • Agitiertheit
  • noch erschwerte Atmung, Keuchatmung, Schmerzen im Thorax
  • trockener Husten
  • trockener Hals und Rachen
  • Zunge mit roten Rändern und Spitze
  • Belag dünn, trocken
  • protrahierter Verlauf

Ein aktuell deshalb sehr häufig verordnetes Basisrezept stammt aus der Wen-Bing-Lehre und ist ursprünglich für „Trockenheit-Hitze“ (ariditas caloris, zaore) verfasst worden, wir haben das an die aktuellen Bedürfnisse und den Tierschutz angepasst (ursprünglich ist dort Eselgelatine enthalten gewesen):

Trockenheit klärendes, den Funktionskreis Lunge rettendes Dekokt (qingzao jiufei tang)

  • Gypsum (Shigao) 7,5 g
  • Mori folium (Sangye) 9 g
  • Pruni armeniacae semen (Xingren) 6–9 g
  • Eriobotryae folium (Pipaye) 6 g
  • Glycyrrhizae radix (Gancao) 3 g
  • Ginseng radix (Renshen) 3 g
  • Sesami indici semen (heizhima) 3 g
  • Angelica sinensis radix (danggui) 9 g
  • Ophiopogonis radix (Maimendong) 9 g
  • Glycyrrhizae radix (gancao)

(Angaben Tagesdosen, für 7–14 Tage einzunehmen)

Modifikationen:

a) Schleim: + Fritellariae bulbus (zhebeimu) + Trichosanthis semen

b) depletio Xue: + Angelica sinensis rx. 6 + Rhemania viride rx. 12

c) blutiger Husten: Cacumen biotae 6 g

d) depletio Yin: + Glehniae rx. 9 + roter Ginseng (xiyangshen) 6

Schlussbemerkung

Die chinesische Arzneimitteltherapie kann bei akuten Infekten in vielen Fällen rasch und wirksam die Symptome lindern und den Krankheitsverlauf wesentlich verkürzen. Die genannten Muster und Rezepturen treffen auch für Covid-19-Patient*innen zu und können identisch eingesetzt werden. Die ersten Varianten hatten allerdings noch einen anderen Charakter – auch aus Sicht der CAT. Hier gab es und gibt es andere Rezepturen, deren Wirksamkeit auch in Studien belegt worden ist. Literatur und Material lassen sich im Internet auf der Homepage der Internationalen Gesellschaft für Chinesische Medizin in der Literaturdatenbank aktualisiert finden.

Dr. med. Josef Hummelsberger ist Facharzt für Innere Medizin, Akupunktur, Naturheilverfahren sowie Certfied Physician of Chinese Medicine (CPC) der Internationalen Gesellschaft für Chinesische Medizin (SMS) und Universität Witten-Herdecke. Hummelsberger ist ausgebildet in Akupunktur und Chinesischer Medizin. Seit 2005 ist er in eigener Praxis in München niedergelassen.

Der Autor hat zahlreiche wissenschaftliche Publikationen verfasst, u.a. zu Heuschnupfen, Phytotherapie und ART-Studien. Seit 1998 ist er im Vorstand der Internationalen Gesellschaft für Chinesische Medizin. Von 2002–2008 war er als Präsident, später als Vizepräsident der SMS tätig. Aktuell ist er Leiter des Wissenschaftlichen Beirats der SMS.

www.hummelsberger.net

Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

1 Bensky D. Chinese herbal medicine. Materia medica. Seattle: Eastland Press; 2008
2 Brinkhaus B, Hummelsberger L, Kohnen R. et al. Acupuncture and chinese herbal medicine in the treatment of patients with seasonal allergic rhinitis: A randomized-controlled clinical trial. Allergy 2004; 59 (09) 953-960. DOI: 10.1111/j.1398-9995.2004.00540.x
3 Caceres DD, Hancke JL, Burgos RA. et al. Use of visual analogue scale measurements (VAS) to assess the effectiveness of standardized Andrographis paniculata extract SHA-10 in reducing the symptoms of common cold. A randomized double blind-placebo study. Phytomedicine 1999; 6: 217-223. DOI: 10.1016/S0944-7113(99)80012-9
4 Hempen CH. Hrsg Leitfaden Chinesische Rezepturen. München: Urban und Fischer; 2006
5 Hempen CH, Fischer T, Wagner H. Leitfaden Chinesische Phytotherapie. 2. Aufl. München: Urban und Fischer; 2006
6 Lau JT, Leung PC, Wong EL. et al. The use of an herbal formula by hospital care workers during the severe acute respiratory syndrome epidemic in Hong Kong to prevent severe acute respiratory syndrome transmission, relieve influenza-related symptoms, and improve quality of life: A prospective cohort study. J Altern Complement Med 2005; 11: 49-55. DOI: 10.1089/acm.2005.11.49
7 Li XM, Brown L. Efficacy and mechanisms of action of traditional Chinese medicines for treating asthma and allergy. J Allergy Clin Immunol 2009; 123: 297-308. DOI: 10.1016/j.jaci.2008.12.026
8 Liu C, Douglas RM. Chinese herbal hedicine in the treatment of acute respiratory tract infections: Review of randomized and controlled clinical trials. Clin Infect Dis 1999; 28: 235-236. DOI: 10.1016/j.jaci.2008.12.026
9 Melchart D, Linde K, Liao JZ. et al Systematic clinical auditing in complementary medicine: Rationale, concept, and a pilot study. Altern Ther Health Med 1997; 3: 33-39
10 Porkert M. Die theoretischen Grundlagen der chinesischen Medizin. 3. Aufl. Basel: AMS; 1991
11 Porkert M. Klinische chinesische Pharmakologie. Heidelberg: Fischer; 1978
12 Porkert M. Neues Lehrbuch der chinesischen Diagnostik. Dinkelscherben: Phainon; 1993
13 Scheid V. et al Chinese herbal medicine. Formulas and strategies. Seattle: Eastland Press; 2009
14 State Pharmacopoeia Commission of the PRC. Pharmacopoeia Volume 1. Beijing: People’s Medical Publishing House; 2015
15 Zhenxiang Z. Zum Gebrauch von chinesischen Arzneimitteln bei Erkältungskrankheiten. Chin Med 2002 2002; 17 (04) 127